Mann, Frau und das Tabu der Uneindeutigkeit

BLOG: MENSCHEN-BILDER

Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
MENSCHEN-BILDER

Für unser Menschenbild hat auch unser Geschlecht eine herausragende Bedeutung. Implizit nehmen die meisten von uns die Zweiteilung in Frauen und Männer in kauf, die uns überall begegnet. Was aber, wenn der Fall aufgrund körperlicher oder psychischer Merkmale nicht so eindeutig zu entscheiden ist? Sarah Roth erklärt in disem Gastbeitrag die grundlegenden Begriffe und zeigt die Probleme auf, vor denen Inter- und Transsexuelle in unserer Gesellschaft stehen:


Für die meisten Menschen ist der Fall klar, es gibt Männer und es gibt Frauen. Unsere ganze Gesellschaft ist darauf aufgebaut. Diese klare Grenze wird im alltäglichen Leben gezogen, wenn man auf die Toilette geht, einen Umkleideraum wählt und sie zieht sich durch von der Medizin, die reine Männer und reine Frauenleiden kennt – oder das Rechtssystem, das diese Einteilung für Verschiedenstes vornimmt. Wehrpflicht, wer wen heiraten darf, welches Renteneintrittsalter gilt.

All dies fußt in verschiedenen Weltbildern:

  • Die biblische Dichotomie in Mann und Frau – Mann und Frau werden nahezu wie zwei unterschiedliche Spezies behandelt. Sie findet sich immer dann gerne in der Öffentlichkeit, wenn über „familiäre Werte“ geredet wird.
  • Die freudsche Psychoanalyse, welche die Psyche eines Menschen am Vorhandensein eines Phallus definiert (Penisneid).
  • Die feministische Grundhaltung, der einzige Unterschied zwischen Mann und Frau sei die Erziehung durch Eltern und Umwelt.
  • Der Biologische Determinismus, z.B. anhand von Chromosomenpaaren (XX = Frau, XY = Mann)

Für mindestens einen von 250 Menschen dagegen ist das alles nicht so einfach. Es gibt Menschen, die ohne die notwendige geschlechtliche Eindeutigkeit geboren werden. Und sie Treffen auf ein Tabu, das dazu führt, dass ihnen grundlegende Menschenrechte vorenthalten werden. Sie sind Intersexuell, Transsexuell oder Transgender.

Intersexuell

Intersexuelle Kinder werden mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren. Die meisten intersexuellen Konditionen sind bereits bei Babys deutlich an den Genitalien sichtbar, es gibt aber auch Konditionen, die eine visuell vollständige Frau mit XY-Chromosomenpaar zulassen oder einen visuell vollständigen Mann mit XX-Chromosomen. Einige Konditionen können sogar spontane Änderungen des äußeren Geschlechts bewirken. Viele Menschen haben eine leichte Form solcher Konditionen und erfahren ihr ganzes Leben davon nichts, andere sehr deutliche, mit, im Sinne der Zweigeschlechter-Dichotomie, schweren Konsequenzen.

Transsexuell

Als Transsexuell werden Personen bezeichnet, die von sich sagen, sie entsprächen einem Geschlecht, das ihrem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht widerspreche, die ansonsten aber keine körperlichen Auffälligkeiten zeigen und eine Veränderung ihres Körpers hin zu ihrem empfundenen Geschlecht wünschen. Transsexualität, wie von transsexuellen Menschen selbst beschrieben, kann es in den vier oben aufgezählten Weltbildern nicht geben, ohne dass sie als psychisch gestört beschrieben werden.

Transgender

Der Begriff wurde von Charles Virgina Prince kreiert, einem Mann, der Vollzeit in Frauenkleidern lebte und sich mit dem Begriff gegen Transsexuelle abgrenzen wollte. Der Begriff selbst hat seitdem eine ziemliche Entwicklung durchgemacht. Erstens wird er heute für alle Menschen im Bereich zwischen reinen Transvestiten und Transsexuellen gebraucht, zweitens beschreibt er eine politische Ausrichtung (gelebte Aufhebung der Geschlechtergrenzen) und wird auch mittlerweile regelmäßig für alles genutzt, was die Dichotomie aufhebt – inklusive Transsexueller und Intersexueller, die sich meist gegen diese Schirmherrschaft wehren, unter anderem wegen der politischen Bezüge.

Behandlung

Zwischen den zuvor genannten Gruppen gibt es jeweils Schnittmengen. Das führt selbst unter Betroffenen oft zur Konfusion. Dennoch lässt sich über jede der betroffenen Gruppen etwas sagen und wie das Denken in zwei eindeutigen Geschlechtern sich auswirkt.

Das Hauptproblem der Intersexuellen

Dr. John Money prägte die Theorie, nach der ein Kind bei der Geburt geschlechtsneutral ist und anhand der eigenen Gonaden (Geschlechtsdrüsen) und dem sozialen Umfeld in seiner Umgebung eine Geschlechtsidentität entwickelt. Deshalb war es seiner Ansicht nach notwendig, dass ein Kind sehr frühzeitig ein eindeutiges Geschlechtsmerkmal bekommt. Obwohl Moneys Theorie umstritten ist und es zu jeder intersexuellen Kondition auch Statistiken gibt, was das wahrscheinlichste gefühlte Geschlecht sein wird, wird diese Praxis aufrecht erhalten. Für die Verwandten, den Standesbeamten usw. ist es erst einmal eine Erleichterung, wenn sie sagen können: Es ist ein Bub, oder es ist ein Mädchen. Für die Betroffenen selbst sieht die ganze Sache jedoch anders aus. Sie erleben die frühen Operationen als schwere Traumatisierung. Nicht selten sind die so geschaffenen Organe nicht in der Lage, für sexuelle Zwecke eingesetzt zu werden und nicht selten wird die Fortpflanzungsfähigkeit ebenfalls mit wegoperiert – es zählt alleine die geschlechtstypische Optik. Betroffen von solchen verstümmelnden Operationen ist etwa eines von 2000 Kindern, insgesamt dürfte die Relevanz von Intersexualität etwa bei einer von 500 Geburten oder höher liegen. Interessengruppen von Intersexuellen kämpfen seit Langem gegen diese Gewalthandlungen, das strenge Mann / Frau Bild ist jedoch so in den Köpfen verankert, dass sie trotz Hilfestellung der UN, die schon einen Verstoß gegen Menschenrechte angemahnt hat, nicht zum Zuge kommt. Betroffene wünschen sich, mit diesen Operationen zu warten, bis sie selbstständig eine Entscheidung treffen können. Oft werden solche Eingriffe aber selbst bei Erwachsenen unter Vorwänden und direkten Lügen vorgenommen. Ein weiterer Grund für eine solche Wartefrist besteht auch darin, dass das zugewiesene Geschlecht sich als das Falsche herausstellen kann. Dies ist bei etwa 5% bis 30% der Betroffenen der Fall. Betroffene, denen dies geschehen ist, werden oft über das Begutachtungsverfahren, das für Transsexuelle eingerichtet wurde, beurteilt. Das ist aber eine Gruppe von Menschen, mit denen sich Intersexuelle nicht gerne vermengt sehen. Schließlich fing das ganze Leid doch schon mit Argumenten der psychosozialen Geschlechtsentwicklung an.

Das Hauptproblem der Transsexuellen

Nun ist Money längst widerlegt, das Gehirngeschlecht bei Intersexuellen längst zum Standard erklärt, inklusive der Ätiologie. Doch sobald kein weiteres körperliches Merkmal vorliegt, oder eine intersexuelle Person ein ursprünglich zugewiesenes Geschlecht ablehnt, wird nach wie vor eine sogenannte „Geschlechtsidentitätsstörung“ diagnostiziert – eine Persönlichkeitsstörung. Über Jahrzehnte wurden reparative Therapien an Transsexuellen versucht, stets ohne Erfolg, während das Nachgeben des Verlangens eine Heilung aller Komorbiditäten wie z.B. Depressionen oder selbstverletzendes Verhalten bedeutete. Es hat sich insbesondere in Deutschland ein Behandlungssystem eingestellt, das auf Verzögern der Behandlung bis zum Äußersten beruht. Am schlimmsten für die Betroffenen ist dabei der sogenannte Alltagstest, bei dem eine Person die Geschlechtsrolle ausprobieren soll – ohne die dringend benötigten Hormone oder andere Hilfestellungen. Der soziale Abstieg ist meist vorprogrammiert. Deutschland geht hier einen Sonderweg. Internationale Standards sehen die Hormonindikation frühzeitig vor und die Reaktion darauf als Diagnosekriterium, das vor oder parallel zum sozialen Umstieg empfohlen wird. Während die deutschen Behandlungsstandards seit ihrer Entstehung kein einziges Mal überarbeitet wurden, werden die internationalen regelmäßig überprüft und überarbeitet. Obwohl es mittlerweile ausreichend Beweise gibt, dass Transsexualität hirnorganische Ursachen hat, ist die Behandlung fest in der Hand von Psychologen, die streng an psychischen Ursachen festhalten. So behauptet zum Beispiel Hertha Richter Appelt vom Institut für Sexualforschung, Uniklinik Hamburg: „Biologische Grundlagen hat man bisher für Transsexualität nicht gefunden.” Auch zu der Häufigkeit der Kondition, die etwa bei 1 von 500 liegt, werden stets falsche Zahlen genannt. Gesetzlich gilt in Deutschland das Paradoxon, dass z.B. eine Frau sich zum psychisch gestörten Mann erklären lassen muss, damit sie rechtlich als Frau anerkannt wird. Dieses Verhalten wurde sowohl von UN und EU als Verstoß gegen die Menschenrechte bezeichnet.


Sarah Roth schreibt in ihrem Blog Bad hair days über die Hintergründe und die Politik rund um Transsexualität. In der Diskussion eines meiner Beiträge über psychiatrische Erkrankungen hat sie mich auf eine Wissenslücke aufmerksam gemacht. Daher habe ich sie zu diesem Gastbeitrag eingeladen.

 

Avatar-Foto

Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

17 Kommentare

  1. In der Schweiz…

    ..ist es ähnlich.

    Auch hier werden Transsexuelle als Gestörte angesehen und ebenso wie in Deutschland wurden auch hierzulande die Standards bislang nicht an die aktuell geltenden Internationalen Pendants angepasst.

    Intersexuellen hingegen scheint es hier teilweise etwas besser zu ergehen. Aber wohl leider auch nicht viel besser.

    Hat die UN doch auch die Schweiz schon angemahnt bezüglich diverser Menschenrechtsverstösse.

  2. Menschenrechtsverstöße

    Mich wundert, dass ich vorher noch nie davon gehört hatte, von diesen Verstößen gegen die Menschenrechte hierzulande.

    Warum berichten die Medien nicht einmal darüber?

  3. Journalisten sind auch nur Menschen

    und als solche in einem der vier genannten Weltbilder beheimatet.

    Und so schimpft man eher noch auf Politiker, die sich solch Gestörter annehmen:
    Jede Stimme zählt
    (alleine schon die Bebilderung!)

    oder schafft es in einem einzigen Artikel, Transsexuelle lächerlich zu machen, Intersexuelle auszuradieren und dem Leser dabei noch das Gefühl zu geben, moralisch über Arabischen Ländern zu stehen.

    Frau darf Auto fahren – nach Geschlechtsumwandlung

    Ich habe vor kurzem eine ausführliche Abhandlung zum Thema als Zeit Leserartikel unter
    Transsexualität – für Journalisten ein Tabu?
    veröffentlicht.

  4. vielschichtige Gedanken

    Hallo,

    Mich überrascht die Häufigkeit von ca. 1:250 bis 1:500 … wobei diese Daten sicher in den sogenannten Industrieländer (bzw. industriellen Gesellschaften, einschließlich der sogenannten Schwellenländer) ermittelt wurden, bzw. ermittelt werden können.

    Diese Gedanken kamen mir spontan, weil mir sofort einige Veröffentlichungen (GEO, Greenpeace, WWF, National Geografik, Nature …) ab den frühen 90zigern einfielen, welche eine erhebliche Zunahme an „Zwitterwesen“ (z. B. bei Krokodilen, Alligatoren in Florida) durch hormonelle oder hormonell wirkende Rückstände von z. B: Arzneimittel (z. B: Antibabypille) oder andere chemischen Rückstände im Trink- bis hin zum Meerwasser berichten. Hintergrund damals war damals allerdings die zunehmende Unfruchtbarkeit ganzer Artenbestände (und darüber hinaus auch beim Menschen). Bekannt ist allerdings auch, dass die Abwasserwirtschaft erhebliche Probleme mit der Filterung oder Beseitigung dieser Stoffe hat (und hormonell wirkende Rückstände größtenteils im Wasserkreislauf bleiben).

    In dem Momenten jetzt, wo ich mich um Orientierung bemühe, ziehen jedoch unablässig weitere Fragen an mir vorüber … abgesehen von der ganz banale Fragen: Gibt es Hinweise für eine Zunahme der unklaren Geschlechtlichkeit in jüngerer (geschichtlicher) Zeit? Diese Frage sollte angesichts der Häufung von keineswegs so banal betrachtet werden wie sie klingt, siehe voriger Absatz.

    Darüber hinaus stellt sich für mich immer wieder eine Frage: Gibt es überhaupt eine eindeutige Grenze der Geschlechter, wo absolut behauptet werden kann, dies ist zu 100% ein Mann oder eine Frau? Und darüber hinaus muss ich auch fragen: Wer vermag zu sagen, was sich die Evolution dabei „gedacht“ hat, den Sex (die Sexualität) ins Leben zu rufen. Was bedeutet Sex hinsichtlich gesellschaftspolitischer Interessen oder Strukturen? Was bedeutet Sexualität für die Entwicklung unserer Kultur? Was bedeutet überhaupt Sexualität für die Entwicklung eines Menschen (abgesehen von der reinen Fortpflanzung!)?

    Diese Fragen sind schon lange vor Freud, Reich, Adler, Fromm oder Kinsey gesellschaftlich relevant. Heute noch wirken in vielen Köpfen die Ideologien von Thomas von Aquin oder Aurelius Augustinus. Zuerst gab es mit der beginnenden Zivilisierung im alten Europa, bzw. Mittelmeerraum durch religiöse (oder besser „kirchliche“) Strömungen eine Moralisierung der Sexualität, später dann, mit zunehmender Industrialisierung auch noch eine Pathologiesierung. Und seit jüngerer Zeit eine totale Kommerzialisierung! Sind also, vor allem die psychologisch-soziologischen Wechselwirkungen (oder schlicht „menschlichen Probleme“) durch den zunehmend propagierten Individualitätsgedanken oder schlicht durch (wiederum vorsichtig formuliert) vorherrschende Selbstverwirklichungszwänge sozusagen selbstgemacht oder zumindest stark beeinflusst? Wie sieht es denn (dagegen) bei den (so genannten) Naturvölkern aus? Was bedeuten z. B. Initiationsriten (oder könnten sie bedeuten …) hinsichtlich sexueller Identifikation für unsere Gesellschaft?

    Vielleicht ist alles auch viel einfacher und hinter diesem Thema verbergen sich mehr oder weniger versteckte Gründe (Vorwände!), den gesellschaftlichen Disput zwischen Mann und Frau aufrecht zu halten, bzw. halten zu wollen, weil eine solche Gesellschaft weiterhin mit sich selbst beschäftig ist! Wer hierüber diskutiert, muss auch einen anderen Gedanken wirklich zu ende denken: Wie muss sich eine Gesellschaft (moralisch, politisch, soziologisch, auch wirtschaftlich oder kulturell etc) verändern, in der Mann oder Frau in allen Bereichen vollkommen gleich gestellt miteinander umgehen könn(t)en? Und was bedeutet dies dann für all diejenigen, die physiologisch und/oder psychologisch zwischen den Stühlen sitzen (müssen)?

    Intersexualität rüttelt an den Grundfesten der vorherrschenden Geschlechterrollen (wenn ich sie so nennen darf) und der Geschlechtlichkeit an sich und damit auch an der Grundfesten der vorherrschenden Geschlechterkultur. Vielleicht erleben wir den Beginn einer (völlig eigenen und vor allem zunehmend sich verselbstständigenden) Kultur all derjenigen, die zwischen den (geschlechtlichen) Welten leben wollen (oder müssen) … mit all ihren Wirkungen, Konsequenzen und Paradoxen.

    mfG

  5. @ Sarah Roth

    Vielen Dank für diesen Beitrag mit Lexikon-Qualität. Ich hätte ihn auch gerne in meinem Blog
    Geschlechtsverwirrung
    veröffentlicht.

    Von einem Tabu zu sprechen, halte ich allerdings für etwas übertrieben. In den Universitäten ist der gesamte Themenkomplex inzwischen sehr stark vertreten. Nur eben zum großen Teil beherrscht von bestimmten Dogmen, vor allem dem dritten, der von Ihnen aufgeführten Weltbilder.
    Und das ist der Grund dafür, dass Wissenschaftsjournalisten (bin selbst einer) das Thema relativ selten und wenn dann oft nicht besonders kompetent behandeln.

  6. @Siegbert Müller – Interessante Fragen

    > Mich überrascht die Häufigkeit von ca. 1:250 bis 1:500 … wobei diese Daten sicher in den sogenannten Industrieländer (bzw. industriellen Gesellschaften, einschließlich der sogenannten Schwellenländer) ermittelt wurden, bzw. ermittelt werden können

    Für Intersexualität trifft das zu. Überraschend ist, dass diese Zahlen immer wieder niedriger angegeben werden, so hört man oft 1:2000. Alleine Klinefelter Syndrom (XXY Chromosomen) wird mit einer Prävalenz ab 1:590 geschätzt, und das ist nur eine von vielen Konditionen.
    Die Zahlen zur Transsexualität sind an erfolgten geschlechtsangleichenden Operationen gemessen. Oft gehört ist hier eine Prävalenz von 1:30000 bei Frauen und 1:100000 bei Männern. Diese Zahlen stammen allerdings aus dem letzten Jahrtausend und aus einem Land. Vor ein paar Jahren rechnete Lynn Connway einmal die Prävalenz erfolgter GaOPs für US-Bürger aus und kam auf 1:2500: Wie häufig tritt Transsexualität auf?
    Nun ist es aber so, dass Aufgrund des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Thema und den zu erwartenden Konsequenzen viele Betroffene keine Hilfe suchen. 50% der 18 jährigen Betroffenen haben schon mindestens einen Selbstmordversuch hinter sich – und das ist die Statistik der Überlebenden. Es ist eine ziemlich sichere Schätzung, dass die Zahl der Betroffenen ohne GaOP etwa fünffach höher liegt. Daher die Zahl 1:500

    > Gibt es Hinweise für eine Zunahme der unklaren Geschlechtlichkeit in jüngerer (geschichtlicher) Zeit

    Jein. Hinter den meisten intersexuellen Konditionen stecken genetische Ursachen, die sich auch durch Umwelteinflüsse nicht verstärken. Es gibt allerdings zum Beispiel eine Zunahme von Hypospadie-Fällen (Harnröhrenausgung auf der Unterseite des Penis statt an der Spitze) um 100%, der auf Phtalate (Weichmacher in Plastik) zurück geführt wird. Eine gute Übersicht habe ich gerade hier gefunden:
    Chemikalien schaden der Fortpflanzung (PDF)

    Wie sich das statistisch auf die geschlechtliche Hirnentwicklung auswirkt ist noch unbekannt. Während Uneindeutigkeiten bei der äußeren Geschlechtsentwicklung sofort bekannt werden, ist man (zumindest derzeit) bei Homosexualität, Transgender und Transsexualität auf das Outing Betroffener angewiesen, und das folgt oft erst Jahrzehnte später.

    Das allerdings solche Konsequenzen zu erwarten sind zeigt sich an den Konsequenzen der Verabreichung des Wirkstoffs DES, einem synthetischen Östrogen, an Schwangere während zweieinhalb Jahrzehnten.
    Von 150 Kindern, die diesem “Medikament” ausgesetzt waren, zeigten 3 intersexuelle Konditionen, 90(!) Transsexualität, 48 identifizierten sich als Transgender, und 17 als Genderdysphoric (daher an ihrer Geschlechtsrolle leidend). Siehe: The Presence of Gender Dysphoria, Transsexualism, and Disorders of Sexual Differentiation in Males Prenatally Exposed to Diethylstilbestrol: Initial Evidence from a 5-Year Study . Rein Chemisch sind dabei die gleichen Vorgänge im Spiel, die Dosis dürfte aber deutlich höher gewesen sein als die durch Umwelteinflüsse ins Spiel kommenden synthetischen Östrogene. (Wichtig Hierbei: Die synthetischen Östrogene können an die Rezeptoren für Östrogen andocken, werden aber nicht über Aromatase in Testosteron umgewandelt.)

    Übrigens gibt es auch vergleichbare Stoffe in der Natur, die Isoflavone, die zum Beispiel sehr Stark in Sojaprodukten und Hopfen enthalten sind. Nicht umsonst dürfen Schwangere nicht an der Hopfenernte teilnehmen.

    > Gibt es überhaupt eine eindeutige Grenze der Geschlechter, wo absolut behauptet werden kann, dies ist zu 100% ein Mann oder eine Frau?

    Nein… deswegen ist der Fall Caster Semenaya ja auch so schwierig. Intersexuell ist sie mit Sicherheit, aber das Frau sein kann man ihr auch nicht absprechen. Ob sie nun einen sportlichen Vorteil gegenüber den anderen Sportlerinnen durch ihre Kondition genießt, ist daher die zentrale – und medizinisch nicht einfach zu beantwortende Frage.

    > Wer vermag zu sagen, was sich die Evolution dabei „gedacht“ hat, den Sex (die Sexualität) ins Leben zu rufen.

    Ich denke, jeweils zwei Genspender zu benutzen erhöht die Varianz und verbessert die Anpassung. Ist also nicht so dass es überraschend wäre. Das Homosexuelle und Transsexuelle einen Platz darin haben, sieht man durch anthropologische Forschungen. Die Kleinfamilie (Vater, Mutter, Kinder) ist ja eine sehr junge Entwicklung, die Grossfamilie und oder Sippen eher das typische Modell.

    Eine schnelle Übersicht über Kulturen, in denen Zwischengeschlechtliches ganz klar ein Platz eingeräumt wird, findet sich hier:
    http://www.101intersex.de/de/ethno_intro.htm

    Interessant wird die Rolle der Religionen, die sich dem judäischen Gott verschrieben haben und ihre Auswirkungen auf diese Geschlechtsrollen. Jahrtausende Lang war die einzige Methode, Transsexuellen das leben zu erleichtern, die Kastration. Historisch sind sie deshalb als Eunuchen bekannt. In der Bibel werden diese und Intersexuelle erwähnt, und auch ohne dem Stigma, dem Homosexuelle ausgesetzt sind (vgl.http://badhairdaysandmore.blogspot.com/2009/08/danke-luther.html ). Interessanterweise wird das von christlichen, Muslimischen und oft auch Jüdischen Kreisen heute völlig Ignoriert und insbesondere Transsexualität als eine Art äußerste Homosexualität verortet und als solche geächtet. Mit der Verbreitung von Christentum und muslimischer Religion durch Eroberungen wurden bestehende kulturelle Plätze für Zwischengeschlechtliche geradezu systematisch vernichtet.

    Nun kann man sich fragen wo diese allübergreifende Homophobie eigentlich her kommt. Sicher ist in der Bibel erwähnt, der Mann sollte nicht mit dem Manne liegen und solche Männer mit dem Tod bestraft werden. Aber das selbe gilt für Leute, die den Sabbat nicht einhalten (heute ja mehr als üblich) oder Kinder, die sich nicht benehmen und insbesondere zu viel Alkohol trinken (wieso glaubt eigentlich jede Elterngeneration aufs neue, rebellische Jugendliche seien ein Zeitgeistphänomen?)

    Ich denke der Ursprung liegt im Zölibat der Römisch Katholischen Kirche. Nicht wenige Männer werden Priester, in der Hoffnung, auf diese Art mit ihren Neigungen (oder Identitäten) klar zu kommen. In dem zusätzlichen Spannungsfeld nicht ausgelebter Sexualität kommt es zum Selbsthass, der dann projiziert wird.

    Die Frage nach Initationsriten ist nicht ganz uninteressant. Transsexuelle Frauen versuchen häufig eine Menge typischer Initiationsriten durchzumachen, sich damit zu dem von der Gesellschaft erwarteten Mann zu machen. Militärdienst oder Heirat, um nur zwei zu nennen. Gott sei Dank lässt das übrigens nach, je mehr über Transsexualität bekannt wird und Menschen erkennen, dass sie nicht alleine sind.
    Ich glaube es ist Samoa, wo es eine Häufung einer intersexuellen Kondition mit einer Prävalenz von 1:60 gibt und dort ein Initiationsritus für diese eingeführt wurde, sollten sie sich (zuerst als Frau erkannt) als Männer entpuppen.

  7. @Ferdinand Knauß

    Wenn auch Herr Schleim einverstanden ist, habe ich sicher nichts gegen einen Crosspost 🙂

    Den Artikel im Handelsblatt gehe ich gerade an, der Artikel von Herrn Meyer enthält ein paar faktische Fehler.

    Der Besitz eines Y Chromosoms macht einen nicht genetisch, sondern chromosal Männlich (und auch nicht zum Mann). Aus dieser Unterscheidung entstehen dann Folgefehler:

    > Vielleicht hat Semenya zwar ein
    X- und ein Y-Chromosom, aber mit
    einem defekten Armdes Y-Chromosoms,
    auf dem das geschlechtsbestimmende
    Gen (SRY) sitzt.

    Der SRY Strang kann auch auf einem X Chromosom landen. So entstehen XX – Männer, die genauso wie XY – Frauen existieren.

    Frau Semenya hat entweder 5 Alpha 2 Reduktase Störung oder PAIS (Partielles Androgen- Insensitivitäts-Syndrom). Die Gene, die diese Störungen auslösen, liegen nicht auf dem Y Chromosom.

    (Der Artikel basiert im Wesentlichen auf Weltbild Nr. 4)

  8. @ Ferdinand Knauß, Sarah Roth

    Hallo,

    Zu allererst einmal ganz herzlichen Dank für die detaillierten Hinweise und zu den weiteren Informationsquellen, die ich allesamt gerne annehme. Nach dem ersten Durchlesen der Antworten tendiere ich dazu (auch wenn es mir aus ganzheitlicher Sicht wiederstrebt) die Betrachtung in eine eher biologische (medizinische) und eine gesellschaftliche (soziologische und auch „politische“) Komponente zu trennen. Vielleicht erleichtert dies Anfangs eine speziellere Betrachtung.

    Ich stimme Frau Roth vor allem darin zu, was die (doch noch) relativ junge Entwicklungsgeschichte der Zivilisationen mit der Durchsetzung der Landwirtschaft und den damit verbunden neuen sozialen Lebensgemeinschaften (Familie, Clans, Dorfgemeinschaften, Kleinstaaten usw.) für eine sexuelle Identifikation bedeuten kann. Ich fände es darüber hinaus sehr wichtig (und vor allen eine Bereicherung) kulturgeschichtliches, anthropologisches und ethnologisches Wissen einfließen zu lassen. Natürlich fließt hier auch Religion, Mystik oder einfach „Brauchtum“ mit ein. Und an dieser Stelle möchte ich das Stichwort „Androgynie“ nennen, vor allem dessen Verherrlichung quer durch die Geschichte der Gesellschaften und Kulturen. Die heutige totale Kommerzialisierung androgyner Merkmale und Eigenschaften ist meiner Meinung absolut keine Hilfe für eine trans- oder intersexuelle Kultur, obwohl das (meiner Meinung nach) hintergründige Ziel ja die Auflösung jeglicher sexueller Zuordnung (oder Merkmale) sein muss. Vielleicht wirkt hierin aber auch der verborgene Wunsch nach (Er)Lösung von der (scheinbaren) moralischen und religiösen Schuld zu seiner sexuellen Identifikation zu stehen und sie auch gesellschaftlich wie partnerschaftlich (aus- und er)leben zu müssen.

    Was die biologische oder medizinische Seite betrifft bin ich erst einmal Überfordert und damit auch überaus vorsichtig, mich aus ganzheitlicher Sicht auf Ursachen und Wirkungen einzulassen. Obwohl oder vielleicht trotz des spekulativen Charakters, wohl möglich gibt es doch neuerdings (vielleicht noch unbekannte) Rückkopplungen in all dem Wechselwirken (Gesellschaft, Umwelt, Psyche, Genetik usw.), die dazu führen, die Entwicklung des Ungeborenen während der Schwangerschaft insofern zu beeinflussen (zu stören?), dass es bis zur Geburt (und sicher auch darüber hinaus) zu keiner endgültigen Ausprägung eines Geschlechts kommen kann (und hier ziehe ich die Entwicklung des Gehirns natürlich mit ein). Ich würde gerne mehr darüber wissen, was Neurowissenschaftler und Genetiker davon halten.

    mfG

  9. @Siegbert Müller

    > trans- oder intersexuelle Kultur, obwohl das (meiner Meinung nach) hintergründige Ziel ja die Auflösung jeglicher sexueller Zuordnung (oder Merkmale) sein muss.

    Also erst einmal gibt es keine trans- oder intersexuelle Kultur. Das Ziel der Auflösung jeglicher sexueller Zuordnung (oder Merkmalen) ist das erklärte Ziel des radikalen, sozialen Feminismus (der Feminismus der zweiten Welle). Transsexuelle und die meisten Interesexuellen gehören eben doch einem der beiden Geschlechter an – ihr Problem ist eines des Körpers – und eben erst einmal kein Politisches. Das Problem ist, dass man diese Zugehörigkeit zu einem Geschlecht nicht fremdbestimmen kann, weder durch Gesellschaft, Erziehung oder Zwang und auch nicht durch angeblich geschlechtsbestimmende Operation im Kleinstkindalter.

    Nicht zu selten hört man die Forderung feministischer Kreise, gechlechtsangleichende Massnahmen für Intersexuelle und Transsexuelle zu verbieten. Diese sollten durch ihre schlichte Existenz die Geschlechtergrenzen sprengen. Auch häufig gehört ist die Annahme, dass in einer Welt ohne Geschlechtsrollen solche Massnahmen für Betroffene gar nicht nötig währen. Was völlig an der Lebensrealität Betroffener vorbei geht. Eine Erkenntnis, die aber eben auch den rätselnden Psychologen völlig entgeht, da ihre Annahme, das empfinden als Mann oder Frau entspringe einer psychosozialen Entwicklung und sei eng verknüpft mit dem erleben von Geschlechtsrollen keine körperlich erlebte Ursache zu lässt. So lässt sich dann auch die Forderung nach einem Alltagstest (also das Ausleben einer gesellschaftlich geprägten Geschlechtsrolle) für Transsexuelle vor medizinischer Hilfe erklären.

  10. @ Knauß

    Ich wollte vor allem meinen Horizont erweitern und fand außerdem, dass ich zu diesem Aspekt von Menschen-Bildern nicht selbst etwas schreiben konnte.

    Nichts spricht dagegen, dass Sie Frau Roth zu einer spezielleren Frage in Ihren Blog einladen. 🙂

    P.S. Frau Roth: Ich habe kein Copyright an Ihrem Text und Sie können damit natürlich verfahren, wie Sie wollen. Da die Geschlechterverwirrung hier auch bei den BrainLogs ist, halte ich ein Crossposting aber nicht für sehr sinnvoll.

  11. Vorschlag für Blog Geschlechtsverwirrung

    Ich könnte ja mal in einen Beitrag ausarbeiten, was pränatale Hormone und späteres Hormonmilleu nun eigentlich im Geschlechterdiskurs für Auswirkungen hat – anhand des Erlebens Transsexueller Personen. Das würde sehr gut zum Blog passen und wäre sicher ein interessanter Anschluss an diesen Blogbeitrag.

  12. Hallo,

    Die Idee hört sich gut an. Ich würde dies als Ergänzung zum Blog von Hr. Ferdinand Knauß sehen und darüber hinaus vielleicht sogar als Anregung für „Betroffene“, ihre Erfahrungen zur Diskussion stellen zu können.

    Wenn es um die Wirkung oder den Einfluss hormonell wirkender Substanzen geht, muss ich nochmals auf die Konsequenzen hinsichtlich ungewollter Aufnahme von hormonell wirkenden Stoffen (seien es Arzneimittelrückstände, Chemikalien oder natürliche pflanzliche Stoffe) über das Trinkwasser oder Lebensmittel kommen. So schwer der Nachweis auch ist (vor allem bei Langzeiteffekten in Kombination mit geringen Konzentrationen), allein die ökologischen Konsequenzen wären kaum zu kalkulieren. Wem wundert’s dass die Diskussionen darüber sehr kontrovers geführt werden. Wer die entsprechenden Suchbegriffe in den einschlägigen Suchmaschinen eingibt, erhält neben vielen klischeehaften auch genügend ernst zunehmende Ergebnisse. Da inzwischen in Bezug auf diverse Inhaltstoffe in unserer Nahrung zum Beispiel epigenetische (positive wie negative) Wirkungen sehr wahrscheinlich sind sollten solche Wechselwirkungen auch prinzipiell bei allem, was durch unseren Körper hindurchgeht in die Betrachtung einbezogen werden. Darüber hinaus reichern sich verschiedene Stoffe erst einmal über Jahre oder Jahrzehnte in der Natur an. Die Wechselwirkungen mit Pflanzenschutzmittelrückständen (auch hier in geringsten Mengen) zeigten sich auch erst mit zehn bis zwanzig Jahren Verzögerung. Darüber hinaus haben sich solche Stoffe bekannter Weise selbst im Krill (und im Wasser) der Arktis angereichert. Mich erstaunt es nicht, dass es möglich sein kann, dass z. B. Fische in der Nähe von Klärwerken neben häufiger Unfruchtbarkeit auch ein verändertes Sexualverhalten oder eine veränderte Sexualentwicklung zeigen können.

    Hinsichtlich einer inter- oder transsexuellen Kultur möchte ich auch die Zeit vorangegangene Jahrtausendwende (1900), oder dem Jugendstil, oder die (wilden) Zwanziger verweisen. Sicher, heute wird wohl zum Beispiel eher noch von einer Raver- oder Gotikszene gesprochen, als das diese Strömungen bereits als Kultur durchgehen (nur um ein Vergleich zu nennen). Doch gerade in den 1920ziger Jahren wurde (als Beispiel) gegenüber dem heutigen Ravern die inter- oder transsexuellen „Charaktere“ regelrecht zelebriert. Es war schon fast eine Modeerscheinung (im Vergleich zur heutigen Kommerzialisierung inter- oder transsexueller „Veranlagungen“). Und das, obwohl inter- oder transsexuelle Menschen (vor allem Homosexuelle) in diesen Zeiten oft genug radikal verfolgt wurden. Ich würde die sogenannte Szene (als gesellschaftlich gestaltend) in den Jahrzenten ab 1900 schon als Kulturell bezeichnen. Und das wir heute zunehmend feminine und maskuline Charaktere (zum Beispiel in der Mode oder allgemein als Stylingmittel) ganz alltäglich nutzen können (wenn auch manchmal vielleicht unbeabsichtigt übertrieben) zeigt für mich schon eine kulturelle Tendenz (und, möglicherweis „schleichende“ Akzeptanz).

    Darüber hinaus ist es schon interessant, wie dies alles aus Sicht unseres Gehirns aussieht. Gerade in den Fällen, wo Menschen sichtbar betreffende körperliche (geschlechtliche) Merkmale aufweisen. Wenn ich hier Antonio Damasio einbeziehe, sollten Wechselwirkungen (Neuro- und Molekularbiologie, Somatik und Soziologie usw.) nachweisbar sein und sich auch eine biologische Wirkungsweise (vielleicht sogar kausal belegbar) zeigen. Das inter- oder transsexuelles Verhalten (oder „Wesenheiten“, Charaktere) allein durch umweltbedingtes Lernen bedingt sind bezweifle ich. Allein der Fall, besser die Odyssee eines Jungen (Name ist mir im Moment „entfallen“, kann ich aber bei Bedarf wieder hervorkramen), der nach der Geburt durch einen Operationsfehler zwangsweise zum „Mädchen“ wurde und anschließend medizinisch und psychologisch Begleitet von seinen Eltern (und sozialen Umfeld) als Mädchen erzogen wurde muss jedermann Zweifeln lassen. Über diesen Fall gibt es ausführlich Dokumentationen.

    mfG

  13. David Raimer

    Der angesprochene Fall ist David Raimer (John/Joan) – und er ist bei weitem nicht der einzige. Er ist aber der wichtigste, weil Money seine Theorien mit Davids Fall belegen wollte. Das ging nur nicht auf, und Money machte sich der Beweisfälschung schuldig, was Milton Diamond später entlarvte.

    Mitllerweile hatte sich aber die Whiteboardtheorie als Grundlage der zweiten Welle des Feminismus etabliert, Joan wurde zur Ikone.

    Für seine auf Fälschungen basierende Arbeit erhielt er noch 2002 (längst entlarvt) die Magnus-Hirschfeld-Medallie der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung.

    Hirschfeld rotiert wohl noch heute in seinem Grab und könnte als alternative Energiequelle genutzt werden, während Money ruhig liegt – trotz der Vielzahl von verstümmelten und traumatisierten Kindern, die Aufgrund seiner Theorie eine Anpassung verordnet bekamen.

    Ich möchte hier mal ein paar Zitate aus einem Werk Milton Diamonds einbringen:
    http://ts-si.org/files/MDiamondClinImpOrgActHormones.pdf
    Clinical implications of the organizational and activational effects of hormones

    >“No one …
    would … ever conjecture [that the girl was born a boy]. Her behavior is
    so normally that of an active little girl and so clearly different by
    contrast from the boyish ways of her twin brother, that it offers nothing to stimulate one’s conjectures (Money, 1975).”
    Reported in
    professional publications and the national media these writings
    dramatically confirmed the plasticity of gender. According to the
    reports an infant born unambiguously male had been surgically
    reassigned as female and successfully reared as a normal girl. This case
    has come to be known by the pseudonyms, John/Joan, Sigmundson
    and I used in our follow-up report (Diamond and Sigmundson, 1997).
    The child’s actual name was David Reimer.

    This case was certainly seen as a
    challenge to a theory of significant prenatal behavioral organization.4
    Of particular crucial importance, drawing on this research and
    theory of psychosexual development, pediatricians and other clinicians
    caring for infants with ambiguous or traumatized genitalia
    inferred that genetic makeup and prenatal endocrinology could be
    ignored in the clinical assignment of sex if done early enough. For
    physicians, the evidence presented from this case affirmed that a
    theory of organization-activation did not hold for humans.

    Since no environmental influences could be linked to
    this transsexual phenomenon one might have thought itwould be taken
    as particularly strong evidence for a theory of sexual development
    incorporating some prenatal organization. This did not occur. Instead
    transsexualismwas seen as amental problem(Gender Identity Disorder
    or Gender Identity Dysphoria) and so recorded in the Diagnostic and
    Statistical Manual of the American Psychiatric Association (DSM-IV-TR,
    2000). Transsexuals were to be treated, not believed.

    In 1997 the neutrality belief was directly challenged. The year
    brought with it a report that the John/Joan case was not as originally
    described. Instead of satisfactorily accepting assignment as a girl it
    turns out that David had continually fought against his imposed
    displeasing life and had asserted and demonstrated from early on,
    behaviors more typically seen in boys. The earlier 1979 alert of the
    psychiatrists and Williams and Smith documentary was reinforced by
    a host of newly reported findings. Some major indications of David’s
    male gender manifestations were his compulsion, despite the absence
    of a penis, to stand while urinating, his preference to play “soldier,”
    refusal to wear a dress, and saving his money to buy a truck or toy
    machine gun (Diamond and Sigmundson,1997). At the age of 14 David
    —unknowing of his history—brought things to a head when he
    threatened suicide unless he could live as a boy and develop as a man.
    Only then was he finally told of how he came to be raised as a girl
    (Diamond and Sigmundson, 1997).

    Eine gute Übersicht über den aktuellen Forschungsstand erhalten sie in einer Präsentation die Dr. Ecker vor der APA gehalten hat:

    http://cs.anu.edu.au/%7EZoe.Brain/BGI%203.3.2.ppt

  14. @Siegbert Müller – Neues zur Umwelt

    In Bezug auf Ihre Fragen bezüglich der Umwelteinflüsse bin ich gerade über eine weitere Studie zum Thema gestolpert:

    BPA in the womb shows link to kids’ behavior
    BPA in the womb shows link to kids’ behavior

    Wie ich es erwartet habe, spielten die östrogenähnlichen Substanzen auch eine wesentliche Rolle in der Hirnentwicklung, besonders sichtbar an aggressiveren Kindern, die ansonsten phänotypisch weiblich sind.

  15. Die Frage nach Schilderungen Betroffener

    In den sogenannten “Standards der Behandlung und Begutachtung
    von Transsexuellen” der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung …

    wird unter

    2.1 Standards der Diagnostik

    gefordert:

    “Für die Diagnose der Transsexualität müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

    • ein klinisch relevanter Leidensdruck und/oder Beeinträchtigungen in sozialen,
    beruflichen oder anderen wichtigen Funktionen.”

    Bei mir hat man das so gemacht.

    Man hat mir die Hormontherapie solange verweigert, bis ich aufgrund von Glatzebildung nur noch vor mir selbst weggelaufen bin und mich letztendes unter ein Auto werfen wollte.

    Es ist reiner Zufall, dass ich heute noch lebe.

    Ich habe meine Arbeit verloren und musste letztenendes wegen Erschöpfung berentet werden.

    Die Ärzte und insbesondere der Psychologe von der Hautklinike wussten ganz genau, was sie taten.

    Diese Behandlungsprogramme sind nichts anderes als versuchter MORD.

Schreibe einen Kommentar