Denkdoping

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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Tabletten ohne EndeDie Frage, ob wir uns mithilfe von Medikamenten oder anderen Technologien schlauer machen dürfen, als wir es im Normalzustand ohnehin schon sind, kursiert immer wieder in den Medien. Vergangenen Freitag war mein Bekannter, Thorsten Galert, von der Europäischen Akademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler ins Philosophische Radio von WDR 5 eingeladen, um mit den Zuhörern eine Stunde lang über das Thema zu diskutieren. Auffällig – aber nicht überraschend – war vor allem, dass die Anrufer große Bedenken gegenüber solchen Medikamenten hatten. Eine junge Frau brachte das Beispiel einer Kollegin, die von der Chefin ein Grippemittel empfohlen bekommen habe, anstatt sich im Bett zu kurieren, frei nach dem Motto: Nimm das und du kannst weiter produktiv sein. Übertragen aufs „Denkdoping“ würde das bedeuten, wenn man zu müde wäre, unkonzentriert oder nicht kreativ genug für seinen Job, dann müsse bloß die richtige Psychopille her, anstatt diese Einschränkung zu akzeptieren.

Im Extremfall würde es womöglich heißen: Pille nehmen oder gehen.

Der Einwand lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass mit einer größeren Verfügbarkeit bestimmter Mittel auch die Erwartungshaltung Dritter größer wird. Gerade dadurch ergibt sich ja im Szenario des „Denkdopings“ der indirekte Zwang, wenn immer mehr Mitbewerber zu den Substanzen greifen, die sie noch leistungsfähiger machen. Steigt das Leistungsniveau der anderen, dann muss meine im Vergleich zwangsläufig geringer erscheinen. Unter diesem Umstand könnte sich der Druck auf einem selbst erhöhen, wenn man ohne diese Mittel auskommen will. Dann würde es womöglich heißen: Pille nehmen oder gehen.

Bei solchen Gedanken erscheint es mir immer sinnvoll, Fakt und Fiktion auseinander zu halten. Diese Medikamente, von denen wir hier sprechen, gibt es noch nicht – und die Meinung gehen darüber auseinander, ob sie in Sicht sind. Andererseits lässt sich aber nicht leugnen, dass bereits ein gewisses Maß an Missbrauch stattfindet: In Berufen, die extrem anstrengend sind und bei denen es um viel Geld geht, greifen die Leute sicher tendenziell öfter zu aufputschenden Drogen und Medikamenten wie Kokain oder Amphetamin. Ein Psychiater erzählte sogar einmal, zu ihm würden manchmal Manager kommen, die ihn nach einem Medikament fragten, das so gut wirke wie Kokain aber ohne die Abhängigkeit und Nebenwirkungen hervorzurufen.

Es ist eine naive Hoffnung, ein Medikament gegen Demenz würde im Gesunden zu einer Verbesserung führen.

Viele haben die naive Hoffnung, bei der Forschung nach Alzheimermedikamenten, um nur ein Beispiel zu nennen, würde früher oder später schon ein Mittel zum „Denkdoping“ abfallen – was die geistige Leistungsfähigkeit eines kranken Menschen steigere, müsse das auch nicht beim Gesunden helfen? Was das Gehirn betrifft, gilt aber gerade nicht die Regel: Viel hilft viel. Vielmehr ist für ein optimales Funktionieren das richtige Zusammenspiel verschiedener Regelkreise essentiell. Wer etwa den Dopaminspiegel in seinem Gehirn erhöht, garantiert damit nicht ein größeres Glücksempfinden und mehr Motivation, sondern vor allem das Risiko zu Halluzinationen oder gar Wahnvorstellungen. Ließen sich bestimmte geistige Erkrankungen also durch mehr Neurotransmitter beheben, kann man daraus nicht schließen, dass die Wirkung im gesunden Gehirn ähnlich wäre.

Würden wir uns vom operierenden Arzt oder Techniker im Atomkraftwerk vielleicht sogar wünschen, sie nähmen diese Mittel?

Thorsten Galert hat versucht, dem kritischen Beispiel der Anruferin mit einem Gedankenexperiment zu begegnen: Stellen Sie sich vor, ein Chirurg müsste bei Ihnen eine schwierige Operation vornehmen. Gelingt die OP, dann sind Sie gesund; macht er etwas falsch, werden Sie zum Pflegefall. Nun hat der Chirurg bereits viele Arbeitsstunden hinter sich und seine Hände zittern etwas – würden Sie es sich in diesem Fall nicht sogar wünschen, der Arzt nehme ein geistiges Dopingmittel? Die Frau ließ sich darauf überhaupt nicht ein; einerseits mag man es nachvollziehen, dass sich jemand in einem derart emotional besetzten Thema nicht auf Gedankenexperimente einlässt, andererseits wollte Thorsten damit ja bloß zeigen, dass es bestimmte Situationen geben könnte, in denen wir zu einem anderen Ergebnis kämen, als die Mittel pauschal zu verteufeln. Während man also durchaus die Forderung der Chefin, man solle doch eine Pille nehmen und den Bericht schnell noch fertig schreiben, ablehnen könnte, könnte man den Fall des Chirurgen sogar begrüßen.

Für Philosophen sind solche Überlegungen wichtig, um zu überprüfen, ob es nicht wenigstens Einzelfälle gibt, in denen eine andere Bewertung vorgenommen werden muss. Würde einem kein solches Beispiel einfallen, und sei es hypothetischer Art, dann könnte man sich die Mühe, über das „Denkdoping“ nachzudenken, getrost sparen; fällt einem jedoch ein solcher Fall ein, dann ist es philosophisch ergiebig, die Gründe für den Unterschied herauszuarbeiten und ihn mit anderen Situationen zu vergleichen. So könnte man zum Beispiel zu dem Ergebnis kommen, dass „Denkdoping“ zwar keine allgemein gesellschaftlich verfügbare Technologie sein sollte, zum Beispiel aufgrund des indirekten Zwangs und mangelnder Verteilungsgerechtigkeit, es aber bestimmte Berufe gibt, nämlich dort, wo es um Menschenleben geht, in denen man dazu greifen dürfte – oder die Mittel sogar vom Arbeitgeber bezahlt werden müssten.

Freilich sollte man aber gängige Alternativen prüfen, bevor man die „Lizenz zum Dopen“ verteilt: Gäbe es mehr Ärzte, würde dann der Chirurg womöglich nicht mit zitternden Händen am OP-Tisch stehen? Wären die Anforderungen nicht so überzogen, würden sich dann die Menschen noch nach Drogen und Medikamenten sehnen, um leistungsfähiger zu werden? Das macht deutlich, dass die große Nachfrage nach Psychopharmakologie selbst ein Symptom einer Zeit ist, in der Ruhe und Erholung als immer unwichtiger eingestuft werden und in der die geistige Leistungsfähigkeit als das größte Gut angesehen wird. Brauchen wir gegen diese Fehleinschätzung eine Pille oder gelingt es uns womöglich mit unserem gesunden Menschenverstand, zu einer realistischeren Bewertung unserer Fähigkeiten zu gelangen?

 

Die komplette Sendung mit Thorsten Galert lässt sich hier downloaden.

 

Literatur:

Schleim, S. (2005). Dragee zum Glück? Artikel in Gehirn&Geist 12/05 (Wiederabdruck in dem neuen Dossier: Die Zukunft des Gehirns).

Schleim, S. (2006). Gedopt ins Abitur? Science Garden. 

Schleim, S. & Walter, H. (2007). Cognitive Enhancement – Fakten und Mythen. Nervenheilkunde 26: 83-87.

 

Foto: © Siggibau / PIXELIO

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15 Kommentare

  1. Hirndoping

    Ach Gott – wenn es erlaubt ist, sich mit Substanzen (ab-)zufüllen, die die Denkfähigkeit herabsetzen, wieso sollten dann antagonistisch wirkende Drogen verboten werden?

    Und die Frage ist eben auch, ob man “das Denken” überhaupt “dopen” kann, oder ob es nicht immer nur Teilaspekte des mentalen Geschehens sind (Wahrnehmung, Affekt, Assoziation, Kommunikationsfähigkeit, Merkfähigkeit etc.), die durch Drogen in ihrer relativen Gewichtung gegeneinander verschoben werden.

  2. Drugs to call me?

    Hallo,
    was Herr Wicht sagt, kann ich nur unterschreiben!
    Es scheint mir auch sehr kritisch, das Regelwerk im Gehirn zu manipulieren. Es ist wohl damit zu rechnen,das bei solchen Versuchen Nebenwirkungen auftreten, die viel über die Hirnfunktion verraten. Für den Anfang könnte man ja erst mal die Folgen von der Selbstmedikation mit Ritalin, in den USA, statistisch erfassen.
    Ich halte da mehr vom Üben und mit Freude lernen und Denken, ist wohl die Methode, die in jeder Beziehung, am sichersten ist.

    Gruß Uwe Kauffmann

  3. Sorry

    Der Satzbruch am Ende entspricht, dem Zustand meines Gehirnes (Nebenhöhlenentzündung und alles zu)!

  4. Partialisierung des Geistes

    Lieber Herr Wicht, dass ich hier allgemein von “Gedanken” schreibe und nicht so sauber kognitive Teilfunktionen aufzähle (wie sehr lassen diese sich wiederum feiner unterscheiden?), das mag man mir für dieses Format verzeihen.

    Lieber Herr Kauffmann, ich fände es vor allem erst einmal wichtig, die Öffentlichkeit über die konkreten Zahlen des Missbrauchs sowie die Wirkungen und Risiken der Substanzen zu informieren. Da dürften manchen sicherlich die Augen aufgehen. Das haben wir in dem “Fakten und Mythen”-Artikel versucht, siehe Link oben.

    Viele Grüße

    Stephan Schleim

  5. P.S. Erkältung

    Lieber Herr Kauffmann,

    wussten Sie schon, dass sich im MRT *bessere* Signale messen lassen, wenn die Hohlräume im Kopf krankheitsbedingt “verschleimt” sind? Weniger Artefakte durch Lufträume! Allerdings ist so ein Aufenthalt in der Röhre wesentlich unangenehmer, wenn es einem nicht gut geht.

    Jedenfalls gute Besserung, ob mit oder ohne MRT

  6. Chirurgen und Amateure

    Lieber Stephan,
    danke für den Beitrag und Gedankenanstoß! Ich bin mir sicher, dass sich eine ganze Reihe von Fällen auflisten ließe, wo viele Menschen urteilen würden “Hier ist ‘Gehirndoping’ sinnvoll und sollte erlaubt sein”. Das Beispiel mit dem Chirurgen ist so eines. Das Problem liegt m.E. aber nicht darin, ob es solche Fälle gibt. Um eine Parallele zu ziehen: Unter bestimmten Umständen dürfen Profisportler Substanzen zu sich nehmen, die auf der Dopingliste stehen, und werden trotzdem nicht disqualifiziert. (Dabei geht es natürlich auch meist um gesundheitliche Aspekte, Mittel gegen Asthma z.B.) Auch hier befürworten viele Menschen die Ausnahme – obwohl sie generell gegen die Optimierung körperlicher Leistungen sind. Das Problem sind nicht die Ausnahmefälle im Bereich der “Profis”. Das Problem sind die Amateure. Die auch an die Präparate rankommen und die – anders als bei den Profis – keiner kontrolliert. Auf die von DIr angesprochene Problematik bezogen bedeutet dies: Sofern es einmal wirksame “Gedächtnisbooster”, “Konzentrationsheber”, “Stimmungsaufheller” usw. gibt UND sofern diese (und sei es auf einem Schwarzmarkt) zugänglich werden, dann werden sie auch von vielen genommen in unserer Leistungsgesellschaft. Vielleicht werden in Bundesländern mit verbindlichen Schulempfehlungen sogar Eltern mit dem sicheren Gefühl, etwas gutes zu tun, entsprechende Brausetabletten ihren Kindern in der 3. und 4. Klasse in den Frühstückstrunk schmeißen – auf dass es mit dem Gymnasium doch noch was wird …

  7. Psychopharmakologie und das Gymnasium

    Lieber Carsten,

    du sprichst in deinem Kommentar eine ganze Reihe wichtiger Punkte an, die man unbedingt berücksichtigen sollte.

    Du hast zwar Recht, dass die Amateure i.d.R. nicht kontrolliert werden, dafür ist bei ihnen aber der Anreiz zum Dopen auch geringer, oder nicht? Wer für eine Olympia-Goldmedaille zu Tabletten greifen würde, würde der es gleich auch für die Bezirksmeisterschaft machen? Aber ich habe beispielsweise schon von Sportstudenten gehört, die vor den Aufnahmeprüfungen mehr oder weniger legale Mittelchen nehmen (z.B. Kreatin, Schmerzmittel usw.). Wenn man bedenkt, dass diese Plätze streng begrenzt sind und ein anderer dafür seinen Traum vom Sportlehrer nicht verwirklichen kann, dann ist das ein ganz großes Problem! Meines Wissens wird dort aber nicht kontrolliert.

    Und ich denke, eine ganz ähnliche Situation haben wir auch im intellektuellen Wettbewerb (und da geht meine Meinung vielleicht mit der Thorsten Galerts auseinander). Du sprichst das Gymnasium an und denkst vielleicht auch aus der Vater-Perspektive an deine Kinder, was ganz richtig ist. Gerade aus Bayern und Baden-Württemberg, wo die Regeln besonders streng sind, hört man ja immer wieder, dass Eltern ihren Grundschulkindern vermehrt Psychopharmakologie verschreiben lassen. Da heißt es dann Aufmerksamkeitsstörung und gibt es bald jeden Tag in der Woche noch Nachhilfeunterricht dazu. Wenn ein Arzt seine Unterschrift darunter setzt, ist es legal, aber ist es darum richtig?

    Dabei denken manche Eltern sicher auch nicht weit genug, denn mit der Zulassung zum Gymnasium ist’s ja nicht getan. Wenn die nur mit Psychoenhancement erreicht wurde, dann dürfte das im Unterricht auch nicht anders sein. Wenn man das Konsequent weiterdenkt, könnte das für manche bedeuten, ein Leben lang bis zum Ruhestand Medikamente zu nehmen, um auf einem bestimmten Level mitzuhalten. Was das für ein sich entwickelndes Gehirn bedeutet, darüber können wir heute nur spekulieren.

    Dabei fällt mir die Bemerkung der Anruferin bei Thorstens Interview ein, die als letzte vor der Pause ihren Standpunkt formulierte, man solle doch die Vielfalt der Menschen schätzen, dass es Mehr- und Minderbegabte gibt. Wenn man zu den Mehrbegabten gehört, dann ist es natürlich leicht, die “Vielfalt” zu schätzen, so wie es einem Millionär leichter sein dürfte, die Verteilung der Güter zu schätzen als einem ALG II-Empfänger. Viel wichtiger, als im Lehnstuhl die Vielfalt zu schätzen, ist es doch, dass in einer Gesellschaft auch für die Minderbegabten attraktive Perspektiven offen sind; und die Mittel dazu haben wir in Deutschland. Dann wäre die Motivation, sich mit Medikamenten zu “Verbessern”, insgesamt auch geringer.

    Ich halte daher die Enhancement-Diskussion selbst für ein Symptom eines gesellschaftlichen Problems, das in den letzten Jahren immer deutlicher wird: Die Fokussierung auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Menschen als sein einziges oder zumindest höchstes Gut.

    Huch, das hätte ja bald ein eigenen Blog-Beitrag werden können!

  8. Parallele Sport

    Einige Gedanken zum herkömmlichen Doping: Es stimmt sicher, dass es für Profisportler, bei denen es um die freiberufliche Existenz geht, die Notwendigkeit, (wodurch auch immer) on top zu sein, viel evidenter ist als im Amateurbereich. ABER: Auch im Jugendleistungssport, wo nur registrierte Kaderathleten geprüft werden, gibt es Meisterschaften. Und nicht nur die EINEN dt. Meisterschaften, wo die Endkampfteilnehmer vielleicht noch getestet werden, sondern auch die VIELEN Kreismeisterschaften, wo kein Tester ist. Auch hier wollen ambitionierte Heranwachsende siegen. Oder nehmen wir die wachsende Zahl von “privaten” Marathonläufern. DIe eigene Bestzeit verbessern oder es überhaupt nur mal mir selbst beweisen – ist das nicht Ansporn genug, ein wenig “nachzuhelfen”? Vom Breitensport “Krafttraining” möchte ich gar nicht wissen (naja, eigentlich will ichs doch), wie viele da “schlucken”. Und da es nun mal viel mehr Amateure als Profis gibt, haben wir auch bei den Amateuren trotz des durchschnittlich geringeren Ansporns, immer top zu sein, in absoluten Zahlen mehr potenzielle Doper. Und dazu solche, die es NICHT unter medizinischer Aufsicht tun, was die Sache verschlimmert.

    Ich denke, man sollte in einer Art Gedankenexperiment schon versuchen absehen, welche Folgen die Bereitstellung von (faktisch oder vermeintlich) helfenden Neuroenhancern auf Dauer zeitigen würde. Die Parallelen zum rein auf den Körper abzielenden Doping sind m.E. offenkundig.

  9. “4.Klasse-Doping”

    Stephan, Du schreibst: “… denn mit der Zulassung zum Gymnasium ist’s ja nicht getan.” Stimmt natürlich. Dennoch ist es für viele (über?)engagierte Eltern in den genannten Bundesländern ein sehr großer Schritt. Sie schielen vielleicht dabei auf die Eltern in andern Bundesländern, die sich über die Empfehlung der Schule notfalls hinwegsetzen können. Das Enhancement, so es denn überhaupt wirkt und das gewünschte Ergebnis bringt, hätte quasi denselben Effekt wie das Sich-drüber-Hinwegsetzen, das anderswo mit einer Unterschrift getan ist.
    LG
    Carsten

  10. Enhancement als Widerstand gegen die Schulbehörden?

    Hallo Carsten,

    das hört sich ja fast so an, als würden sich die Eltern durch die dopinggetriebene Zulassung zum Gymnasium über den Zwang der Schulbehörde hinwegsetzen — und zwar aufgrund von Reaktanz! Wäre schade, wenn die Kinder den Preis für den psychischen Widerstand der Eltern zahlen müssten.

    Letztlich wäre das aber sehr kurz gedacht, wenn es nur um den Status “Zulassung” ginge — schließlich würde es später peinlich, wenn Sohnemann oder Töchterchen auf dem Gymnasium sitzen bleibt. Bei einem früheren Klassenkamerad war das so, dass die Eltern ihn auf eine Privatschule schickten, als er nicht mehr mitkam. Das war auch ein Gymnasium, hatte aber den Ruf, man könne dort ein Abitur “kaufen”. Einen anderen Kameraden haben die Eltern kurzerhand auf ein privates Internat nach Großbritannien geschickt, wo es sehr streng zuging. Da er dann nicht zur Bundeswehr gezogen wurde, hat er sogar noch ein Jahr gespart, also insgesamt zwei, weil die Schule dort ein Jahr weniger dauerte. Als ich noch studierte, hatte er schon einen Job in New York.

    Hmm, sind diese Alternativen nun besser als Schulleistung mit Denkdoping? Mir war damals beides suspekt.

  11. @Schleim und Könneker

    Sehr geehrte Herren,
    Ihr Vergleich zum Doping im Sport, hinkt nicht nur für mich, er ist schlichtweg gehunfähig.

    Die Tatsache das vor einem halben Jahrhundert die Einnahme von Morphium und Kokain, als Medikation angesehen wurde, spricht da ja wohl Bände!

    Bei jedem Eingriff in die Neurochemie, ist wie bei jeder Therapie, eine Nutzen-Risiko-Abwägung zu tätigen. Chemie heisst dort Information!
    Jahrelanger Mittelmissbrauch führt eventuell, wie sich z.b Heroinmissbrauch, zu psychischen Verschiebungen (Erkrankungen) oder Neuroanatomischen Veränderungen (Degeneration?).
    Die Wirkung an sich, könnte die Nebenwirkung sein!

    Wenn sich, in den USA vermehrt Mittelmissbrauch durchsetzt, so sollte das eventuelle Opfer, das die Anwender bringen, zumindest wissenschaftlich ausgewertet werden! Das das einen ähnlichen Beigeschmack hat, wie die Vorgänge in der Strahlenforschung (Hirishima, Nagasaki), ist zwars traurig, aber vieleicht ein Geschenk.

    Gruß Uwe Kauffmann

  12. Normatives & mehr als “nur” Information

    Sehr geehrter Herr Kauffmann,

    inwiefern hinkt die Analogie zwischen Doping im sportlichen und akademischen Wettbewerb bzw. ist “gehunfähig”? Ich suche schon lange nach Gründen für diese Unterscheidung, die Sie offenbar im Sinn haben.

    Natürlich spielen Kosten-Nutzen-Abwägungen, so wie Sie sagen, eine Rolle. Darüber hinaus gibt es aber doch normative Implikationen im Hinblick auf Autonomie, Verteilungsgerechtigkeit oder Fairness im Wettbewerb (um nur ein paar Beispiele zu nennen), die berücksichtigt werden müssen und wo es nicht nur um Information auf neurochemischer Ebene geht.

    In meinem G&G-Artikel zum Enhancement wurde das folgende Statement als Pullquote hervorgehoben: “Radikal formuliert: Über den illegalen Vetrieb via Internet geschieht schon heute ein verdeckter Massenversuch mit Stimulanzien” (G&G 12/2005, S. 51; siehe auch das neue Dossier zur “Zukunft des Gehirns”). Wenn ich Ihren letzten Absatz lese, bekomme ich fast den Eindruck, die Leute sollten jetzt noch ein paar Fragebögen zu ihrem Befinden ausfüllen und dann geht das schon in Ordnung — habe ich Sie da richtig verstanden?

    Ein Pharmakologe meinte einmal zu mir, da die Leute die Substanzen ohnehin kriegen könnten, wenn sie nur wollten (wie viele Mails dubioser Internetapotheken fand ich heute wieder als Spam im E-Postfach?), wäre es doch besser, wenn sie das gleich vom Arzt verschrieben bekämen und es so wenigstens eine klinisch kontrollierter “Versuch” wäre — gemeint ist, durch die Verschreibung sei sicher gestellt, dass die Substanzen nicht verunreinigt sind usw. Ich weiß nicht, was ich von diesem Verständnis der ärztlichen Rolle halten soll.

  13. Vom Denkdoping zum Medikamentenmißbrauch?

    Unter Psychologischen Psychotherapeuten wird zur Zeit die starke Zunahme an Psychopharmaka Verschreibungen für an sich leicht therapierbare „Lebenskrisen“ beklagt. Insofern sind die Bedenken von Herrn Schleim sehr ernst zu nehmen. Die bisherigen Gesundheitsreformen mit dem Ergebnis einer Verlagerung der Medizin weg von beratenden Gesprächen (lt. Studien dauern Arzt-Patienten-Gespräche höchstens 2-Minuten!), hin zum Rezeptblock, Facharztüberweisungen und Apparaten, leistet solchen Entwicklungen noch ordentlich Vorschub. Ob hinter den unten stehenden Pressemitteilungen auch Interessen der Pharmaindustrie lagen, weiß man nicht so genau. Jedoch haben sie ihre „Wirkung“ offenbar nicht verfehlt: http://idw-online.de/pages/de/news14235 http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/52494/ Solche Empfehlungen führen dann zu einem entsprechenden Verschreibungsverhalten bei Haus- und Fachärzten. Man entledigt sich, angesichts der knappen Gesprächszeit , seiner Verantwortung indem man rein vorsorglich ein Psychopharmakon verschreibt. Ein solches Verhalten wird z.B. auf solche Pressemitteilungen gestützt…. Dabei liegt die viel beschworene Suizidgefahr bis zu. 1% der Depressiven (M. Hautzinger, Depression, Hogrefe, 1998) und ein einfacher „Depressionsfragebogen“ könnte im Vorfeld abklären, ob überhaupt mit einer Suizidgefährdung zu rechnen wäre. Jener wäre zwar preiswerter als das Medikament, allerdings kostet er Zeit, welche vom Gesundheitssystem nicht (angemessen) honoriert wird. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Abrechnungsziffern bei Ärzten „kategorienspezifisch“ verteilt werden, so dass ein Allgemeinarzt z.B. keine Leistungen abrechnen darf, welche ansonsten „nur“ Psychotherapeuten und Ärzten „zustehen“. Allerdings wird auch jede harmlose „depressive“ Episode, gleich als behandlungsbedürftig angesehen. Hier dürfte die äußerst mangelhafte ärztliche Ausbildung im Bereich der klinischen Psychologie mit ausschlaggebend sein: Alltägliche Erscheinungen, wie depressive Verstimmungen, Trennungsfolgen bei Scheidung, Schulleistungsstörungen, Bettnässer im Kindes- und Jugendalter, Schulangst, ADHS-Verdacht etc. etc. werden zunehmend pathologisiert und mit Psychopharmaka „therapiert“. Im Ergebnis kann dies dann lt. DSM IV (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) wiederum zu sog. „medikamenteninduzierten“ Störungen führen, welche erneut psychotherapeutische Interventionen erforderlich machen…..(Beispiele: G21.1 neuroleptikainduzierter Parkinsonismus, malignes neuroleptisches Syndrom…) Nachdem Medikamentenmissbrauch bereits jetzt schon ein Thema – auch außerhalb von Arztpraxen ist – erscheint mir eine breit angelegte, öffentlich wirksame Aufklärung über bekannte und offene Fragen und Probleme eines möglichen Substanzmissbrauches mittels Psychopharmaka unabdingbar. Weiteres Link zum Medikamentenmissbrauch in Managerkreisen: http://www.lukesch.ch/Text99_05.htm

  14. @Schleim

    Sehr geehrter Herr Schleim,
    nun was die moralische Dimension ( Fairness) und das Risiko gesundheitlicher Gefährdung angeht, so liegen beide wohl Kopf an Kopf.
    Der Erkenntnissstand hat aber in beiden Fällen eine unterschiedliche Qualität. Grundsätzlich dürfte der Vorgang Energiestoffwechsel (Kohlehydrate, Sauerstoff, Muskel und Energieumsetzung besser bekannt sein.), wohingegen die Kette (Wahrnehmung, Neuronale Netzwerke (plastizität), Neurotransmitter und Neuromodulatoren verquickt mit dem Komplex der Psyche) in einer ganz anderen Problemklasse spielt.

    Nun lege ich mich einmal ganz weit aus dem Fenster und behaupte:“ Ohne Kokain stünde die Psychoanalyse, heute nicht da, wo sie heute steht.“
    Herr Freud therapierte sich selbst mit Kokain. Sein Werk war für die damalige Zeit eher revelutionär, und er stand allein auf weiter Flur. Nun ließe sich die Vermutung nahe legen, das der Konsum, von Kokain ihn dazu in die Lage versetzt hat, so verbissen an seinen Arbeiten festzuhalten
    und eine in sich geschlossene Theorie zu entwickeln und diese trotz zu erwartender wissenschaftlicher Einwände zu veröffentlichen.
    Nun halte ich das nicht für einen geschichtlichen Fall von Braindoping, sondern es zeigt für mich,
    die Gefahr, die darin steckt. Denn bei den meisten Nutzern dieses Stoffes beschränkt sich die Höchstleistung auf eine Psychose oder zumindest zweifelhaftes Sozialverhalten.

    Mittelimissbrauch Alkehol, führt zu generationenübergreifenden Schädigungen im Sozialverhalten.
    Nun kennen Sie sich besser, in der Wirkungsweise von Alkehol aus, aber für mich, ist es ein Beispiel dafür, welche Wirkung eine gedämpftte Rezeptorengruppe haben kann.
    Psychoaktive Stoffe haben nicht nur eine Wirkung beim Anwender, sie wirken auch über sein Verhalten, in seine Umwelt und das sind für mich Danebenwirkungen!

    Jeglicher Einsatz von Psychostimulantien und Neurohemmern, scheint mir Problemmatisch, weil
    dem Gehirn, vorallen der Psyche, die Datengrundlage zur Berwertung, der von ihnen ausgelösten
    Phänomene fehlt. Keine Wahrnehmung, keine Ausschütung von Neurotransmittern, ist Grundlage
    der Wirkung. Nichts des do trotz, ist da Gehirn dazu verurteilt die Daten zu verarbeiten. Dazu fehlt nicht nur dem Gehirn, sondern auch mir jede vernünftige Datengrundlage.

    Aber nur weiter mit dem Fortschritt, in dem wir den Produkten die wir verkonsumieren immer ähnlicher werden. Käse und Mensch, beides Produkte, die Inhaltstoffe mit Restrisiko beinhalten.

    Gruß Uwe Kauffmann

  15. Schusssenf

    Hallo,
    die in dem Beitrag von Frau Armand auch aufgeführten Manager, hatten wohl schon vor dem Medikamenten Einsatz, nur noch Notlaufeigenschaften. An Ihnen läst sich nicht feststellen, was Denkdoping bewirken könnte, den Ihre Lebenssituation, ist an sich gefährdent.

    Dies war wohl auch nicht die Absicht, mit dem Sie den Beitrag eingestellt hat.
    Der Beitrag hätte auch selbst, eine Basis für einen Blog geliefert!

    Vielleicht sehe ich das bei modernen Medikamennten, etwas überzogen. Aber meine Überzeugung bleibt:”Man soll das Gehirn, ruhig mal machen lassen, es macht seine Sache, im Regelfall ganz gut!”

    Es werden wohl viele Abstreiten, das es im Umfeld, des Menschen, so etwas wie Psychotoxsizität gibt.
    Ich hingegen bin davon fest überzeugt.

    Neurochemie ausserhalb der Therapie, Finger weg!

    Gruß Uwe Kauffmann

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