Reisekosten?

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Eigene Kosten! So will es jedenfalls das Bundesreisekostengesetz. Als Wissenschaftler treibt es einen quer durch die Welt. Aber auch schon innerdeutsche Reisen haben es in sich – wenn man an den Verwaltungsakt denkt, den das mit sich bringt. Wer an vielen Projekten mitarbeitet, der muss auch viel reisen; schließlich arbeitet man ja nicht alleine, sondern zeichnen sich gerade wissenschaftliche Projekte durch Kooperationen mit anderen aus. Im November muss ich nun gleich aus mehreren Gründen in unsere Hauptstadt: Dort gibt es für mich „Dienstgeschäfte“ zu erledigen, wie es die Beamtensprache formuliert, an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie an der Humboldt-Universität.

In besagtem Reisekostengesetz, das sich mit seinen neuesten Änderungen nun immer deutlicher an den Institutionen bemerkbar macht, wird beispielsweise ein „Übernachtungsgeld“ von 11 Euro pro Übernachtung festgelegt. Wie bitte? Ja, Sie haben richtig gelesen. Allerdings gilt das nur dann, wenn man keine Quittungen einreicht. Wie kommt aber jemand auf diesen niedrigen Betrag? Wo kommt man bitteschön für diesen Preis unter? Selbst ein Schlafplatz in einem Mehrbettzimmer einer Jugendherberge ist teurer. Glück hat also, wer im Zielort Freunde oder Verwandte hat, bei denen er kostenlos unterkommt. In diesem Fall hat er zwar gar keine Übernachtungskosten, bekommt aber pro Nacht die 11 Euro geschenkt. Alles formal korrekt, versteht sich.

Gendarmmarkt in BerlinWer hingegen nicht so sehr mit privaten Schlafgelegenheiten gesegnet ist, für den gilt es, sich auf eigene Faust nach einem Hotel umzuschauen. Als Obergrenze für eine Übernachtung sind dann 60 Euro angegeben. Verschiedene Suchmaschinen spucken zwischen 60 und 70 Euro ihre billigsten Treffer für Berlin aus. Das scheinen aber nicht gerade Orte zu seinen, an denen man gerne bleibt – wenn auch nur für ein paar Nächte. Also die Kollegen gefragt: „Sagt mal, kennt jemand von euch ein billiges Hotel in Berlin?“ Tatsächlich kommen da ein paar Empfehlungen, die in den Suchmaschinen nicht auftauchten, weniger als 60 Euro kosten und „okay“ sind, wie es salopp heißt. In einem gibt es sogar kostenlosen Internetzugang per Funk und Kabel. Also schnell der Griff zum Telefonhörer – doch leider nicht schnell genug, alles ausgebucht.

Andere Tipps: Das eine Hotel ist in Charlottenburg, vielleicht eine halbe Stunde Fahrtweg und kostet genau 60 Euro. Das scheint noch in Ordnung. Doch auch hier Fehlanzeige, ausgebucht. Das andere, das kostet zwar nur 44 Euro aber ist in Kleinmachnow. Noch nie gehört – ist auch sehr Weit von der Innenstadt entfernt. Wenn man schon fünf Stunden pro Weg im Zug sitzt, soll man dann pro Weg noch eine Stunde in den öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln?

Mehr als eine Stunde ist für die Planung der Dienstreise schon verstrichen, Verzweiflung breitet sich aus. Soll ich die Dienstreise vielleicht absagen? „Kein Hotel gefunden?“ Nein, so schnell gibt man doch nicht auf. Griff zum Telefonhörer und noch einen anderen Kollegen gefragt, der sich mit Hotels und Dienstreisen auskennt. Sein Tipp: Für 81 Euro, zentral gelegen, ordentliches Hotel. Die Hoffnung: Vielleicht erstatten die von der Verwaltung es ja doch. Ein Telefonat mit der Sekretärin der zuständigen Universität schafft jedoch schneller Ernüchterung als ein doppelter Espresso: Wenn es kein billigeres Hotel gebe, dann habe man eben Pech gehabt. Ja, „dann ist das eben Pech,“ sagt die mir unbekannte Frau mir tatsächlich an der Strippe. In den Richtlinien heißt es, die Begründung, „günstigeres Hotel stand nicht zur Verfügung“, gelte nicht als Argument. Also ich halte das für ein sehr gutes Argument. Eine Liste mit billigen Hotels liegt den Richtlinien übrigens nicht bei. Dankeschön!

Übersteigen die Übernachtungskosten diesen Betrag, ist deren Notwendigkeit im Einzelfall entsprechend zu begründen (allein z.B. der Zusatz „günstigeres Hotel stand nicht zur Verfügung“ gilt nicht als Argument).

Nach gut eineinhalb Stunden ist das Hotel für 81 Euro gebucht und zähneknirschend akzeptiere ich, dass ich nun 21 Euro pro Übernachtung aus der eigenen Tasche beisteuere. Sagte ich schon, dass die Dienstreise auch mein Wochenende überdauert? Wenn ich am Mittwoch darauf zurückkomme, ist nicht Entspannung angesagt, sondern die liegen gebliebene Arbeit von Montag und Dienstag wird auf mich warten.

Damit ist die Planung des „Dienstgeschäftes“ aber noch lange nicht erledigt. Genauer gesagt handelt es sich nämlich um drei verschiedene „Dienstgeschäfte“. Wie soll man das beantragen? Schnell mit der Chefsekretärin gesprochen, die zum Glück ein offenes Ohr dafür hat. Die Idee: Pro Institution, welche die Kosten erstattet, einen Antrag schreiben und mit einem Begleitschreiben erläutern, wie das alles zusammenhängt. Es könnte ja noch jemand auf den Gedanken kommen, man wolle eine Kulturreise durch Deutschland als Dienstreise tarnen. Anträge suchen, ausfüllen, Brief schreiben – nach zweieinhalb Stunden ist dann alles fertig und an die zuständige Stelle gefaxt. In der Zeit hätte ich auch gut arbeiten können, die Stapel auf dem Schreibtisch sprechen für sich. Schließlich gilt es auch, die Dienstreisen irgendwann vorzubereiten.

Und Sie wundern sich, dass ich um 22:45 Uhr einen Blogbeitrag schreibe? Die Idee: Das nächste Mal suche ich hier im Blog einen Schlafplatz. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

 

Foto: © ChristianeIrmgard / PIXELIO

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2 Kommentare

  1. Gute Reise

    Beim Lesen kann einem schon die Lust auf irgendetwas vergehen. Aber die Situation tritt immer häufiger auf. Alles wird teurer, aber der Geldbeutel, in diesem Falle ist es Reisekostengesetz, wächst nicht mit. Ich wünsche Ihnen dennoch eine gute Reise.

  2. Wir freuen uns auf Sie ;-))

    Sofern Ihr Reiseziel Bielefeld und Umgebung ist, sind Sie herzlich eingeladen – wirklich ernst gemeint….Unsere Adresse und Email steht im www !

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