Summa Cum Laude – geht es nicht besser?

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Die Besten, der Besten, der Besten – die wahre Lehre (und Forschung) aus der zu Guttenberg-Affäre.

Bloggewitter Ehrlichkeit in der WissenschaftIn ihrem Kommentar im Spektrumdirekt unter der Überschrift Überfällig und richtig mahnen Carsten Könneker und Daniel Lingenhöhl einen Selbstreinigungsprozess der Hochschulen an als eine Konsequenz aus der aktuellen Misere. 

Ein Selbstreinigungsprozess muss aber auch an den Hochschulen stattfinden: Sie müssen zukünftig strikter regeln, wer zu einer Promotion zugelassen wird, um der Titeljagd Einhalt zu gebieten. Die Doktorarbeit soll dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und Fortschritt dienen und weniger der Profilierung Einzelner. Und die Universitäten müssen die eingereichten Arbeiten strenger prüfen. Sie dürfen nichts durchwinken, wie dies bei zu Guttenbergs Arbeit offensichtlich der Fall war. Eine größere Transparenz etwa ließe sich vielleicht erreichen, wenn neben dem Doktorvater und dem Zweitgutachter noch ein dritter Prüfer (im Falle von "summa cum laude" ein vierter Prüfer) von unabhängiger Stelle ernannt würde.

Dem konkreten Vorschlag, der nur vorsichtig angedeutet wird, möchte ich gleich widersprechen und eine Alternative vorschlagen.

Non Probatum

Bedenken wir, der Doktortitel ist eine Auszeichnung. Diese nochmal mit einem "Summa Cum Laude" auszuzeichnen ist schlicht unnötig. Wenn Doktorvater, Zweit-, Dritt- und gar Viertgutachter erst der Fachwelt mitteilen müssen, dass hier eine herausragende Arbeit vorliegt, dann kann diese nicht so herausragend sein.

Wenn jemand sein wissenschaftliches Umfeld wechselt, vielleicht sogar in die Wirtschaft oder Politik wechselt, mag er sein, in seinem Fachgebiet erworbenes, Renommee nicht mitnehmen können. Warum aber auch? Den Titel schon und das reicht.

Man sollte daher auch in Deutschland das in den USA übliche Modell adaptieren, wonach Promotionen zwar durch schwierige Zwischenprüfungen („comprehensive exams“) früh konstruktiv infrage gestellt werden, bei erfolgreichem Abschluss aber nicht mehr durch Noten bewertet werden. Am Ende einer Promotion sollte nur die Entscheidung offen bleiben, ob der Kandidat bestanden oder – in sehr seltenen Ausnahmefällen – nicht bestanden hat. [1]

Im internationalen Vergleich ist es so, als würden wir die Goldmedaillen unsere Sportler zusätzlich in fünf Glanzstufen nachpolieren, wobei die eifrigen Poliere auch noch die Sportfunktionäre der Einzelsportarten sind. Da glänzen dann schnell alle ein wenig mehr.

Selbstreinigung, aller Anfang …

Die Schwachstellen der deutschen Promotion sind die schlechte Betreuungsquote, die starke Abhängigkeit vom Doktorvater und die Verquickung der Dissertation mit Drittmittelinteressen, drei Punkte, die ich schon etwas detaillierter dargelegt habe.

Der erste Punkt wird, ohne den Bezug zur aktuellen Affäre zu sehen, im aktuellen Spiegel in der Kurznachricht Uni-Professoren knausern bei der Studenten-Betreuung angesprochen:

Im internationalen Vergleich bleibt Deutschland vor allem bei der Betreuung von Studenten eklatant zurück. In den USA nehmen an Lehrveranstaltungen eines Professors im Schnitt 39 Studenten teil, hierzulande sind es 112.

Manchmal beginnen Veränderungen mit kleinen Nachrichten. Am Ende bedarf es aber einer großen Bewegung.

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Das Problem ist natürlich nicht unser kurioses Bedürfnis nach Auszeichnungen. Alle drei oben genannten Schwachstellen basieren auf einem Kernproblem: der fehlenden akademische Juniorposition in Deutschland. Mehr noch, deren Fehlen sorgt auch für eine fatale strukturelle Handlungsunfähigkeit des deutschen Systems um junge Wissenschaftler mit erheblichen fachlichen Renommee zu halten. Darüber werde ich noch ausführlicher schreiben.

Für mich steht fest, hier muss die Selbstreinigung ansetzen, auch um Betrugsfällen vorzubeugen. Verhindern kann man diese freilich nie. Schon gar nicht durch den (in userem System sowieso zeitlich völlig überforderten) Viertgutachter.

Wenn Sie diese Probleme kenne, klicken Sie bitte den Like-Button, oder besuchen Sie zunächst die FB-Seite. Empfehlen möchte ich aber insbesondere die Lektüre [2] als Hintergrundinformation.

  

Literatur

[1] "Warum promovieren wir?" von Prof. Oliver Günther, Forschung und Lehre, 2009 Heft 7, Seite 484. Zur anderen Berwertungsverfahren vgl. hier.

[2]  "Die akademische Juniorposition zwischen Beharrung und Reformdruck" von Prof. Reinhard Kreckel. 

Foto modifiziert, Original von Sebastian Jabbusch (CC – by,nc, sa).

 

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

8 Kommentare

  1. @ Markus: Deutschland im Vergleich

    In den USA ist man eben auch Student und nicht wissenschaftlicher Mitarbeiter (natürlich gibt es auch in Deutschland Graduiertenschulen). Was willst du dann prüfen, wenn es kein festes Curriculum gibt? Oder willst du allen Doktoranden zusätzlich zur Forschungsarbeit noch Kurse aufbrummen?

    An unserer Universität (Groningen, Niederlande), beruft der Betreuer (“Promoter”) eine Promotionskommission ein, die die Arbeit prüft. Geht es um die Verleihung des Prädikats (hier schlicht “cum laude”), muss sogar eine zweite Kommission eingeschaltet werden. Ich denke, das ist in den Niederlanden so üblich. Die Arbeit muss daraufhin übrigens nicht erst publiziert werden; nach der Verteidigung wird sofort die Urkunde verliehen.

    Ein Kollege aus Großbritannien erzählte mir, an ihrer Universität seien akademischer Arbeitgeber und Gutachter der Promotion nicht identisch.

    Natürlich kann es sehr schön sein, von jemandem promoviert zu werden, mit dem man lange zusammen gearbeitet hat. Im Fall zu Guttenbergs hat das persönliche Betreuungsverhältnis aber wohl dazu geführt, dass die Arbeit nicht kritisch genug untersucht wurde. Auch für den Doktoranden kann es im Konfliktfall unangenehm werden, von Chef und Doktorvater/-mutter in Personalunion abhängig zu sein.

    Mein Eindruck ist übrigens, dass die Promotion gerade auch in den Naturwissenschaften mehr und mehr zu einer bloßen Formalität wird. Die kumulative Zusammenstellung mehrerer Arbeiten von mehreren Autoren kommt der Publikationspraxis in Journals entgegen; die Doktorarbeit ist dann aber nicht mehr das eine große Werk eines jungen Forschenden, das es einmal war.

    Wenn in der zukünftigen akademischen Laufbahn der Doktorgrad selbst keine Rolle mehr spielt, sondern man nur anhand seiner akademischen Vita (Publikationen, Drittmittel, Lehre, …) bewertet wird, dann verändert sich der Charakter der Promotion vielleicht zunehmend. Welche Rolle spielt sie dann noch?

  2. @Markus

    Was die Promotionen angeht, sehe auch ich deutlichen Reformbedarf und würde Dir da widersprechen. Was die prekäre Lage des Mittelbaus angeht, stimme ich dagegen völlig zu. Ich hatte schon beim Bologna-Bloggewitter dazu geschrieben (könntest Du das bitte verlinken, ich bin an einem mobilen Gerät, das dies nicht kann). Danke, dass Du und andere hier nicht einfach zur Tagesordnung zurück gehen!

    Antwort:
    Nun verlinkt, danke fü Deinen Hinweis.

  3. Prüfungskommission

    In Hamburg benötigt man in den Naturwissenschaften bei summa cum laude neben dem Haptgutachter und dem Zweitgutachter und den drei anderen in der Prüfungskommission sitzenden noch einen externen Gutachter, der vom Promotionsausschuss benannt wird. Ich weiss nicht, ob da unbedingt nochmehr Gutachterei nötig ist, weil das teilweise ganz schön Zeit in Anspruch nehmen kann, denn jeder der beteiligten muss das Opus ja auch bekommen und lesen. Ich teile da durchaus deine Kritik an dem Vorschlag von Könneker / Lingenhöhl. Andererseits gibt es imho durchaus qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Doktorarbeiten. Der sollte irgendwo schon auch zum Ausdruck kommen. Ich kenne Leute, die zwar relativ gut in Prüfungen sind, deren Forschungsleistung aber deutlich hinter schlechteren Prüflingen hinterherhinkt.

  4. Die fünf Glanzstufen.

    Es gibt ja auch bei Goldmedaillen Unterschiede, der eine überragt das Feld, der andere ist ein glücklicher Gewinner. Aber Gold ist trotzdem Gold. Gut einer bricht noch den Weltrekord zusätzlich. Soll heißen: Vielleicht ist eine Auszeichnung (also „cum laude“) durchaus angebracht, dies könnte aber auch durch zusätzliche Preise geschehen, die es ja schon sowieso schon gibt.

    Die Unterteilung in fünf Stufen für einen Doktorgrad ist aber völlig überflüssig:
    „summa cum laude“,
    „magna cum laude“,
    „cum laude“,
    „satis bene“ und
    „rite“.

    Ich muss sogar zugeben, „satis bene“ kannte ich bis gestern gar nicht. So viel dazu.

    Sobald eine Notenskala vorliegt, ist die Versuchung groß zu sagen, Mensch, der Kandidat gehört schon zu den Besten. Schwuppdiwupp ist es geschehen: Summa Cum Laude. Man ist ja nett und es schmeichelt vor allem einem selbst auch. Alle sind glücklich.

  5. Danke für Link auf den Text von Kreckel zur Juniorposition.

    PS: “Rufabwehrverhandlungen” hat einen Ehrenplatz in meinem Schrein der Pfauenwörter erhalten.

  6. Der lange Weg zur Professur

    Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat auch etwas zum Thema publiziert.

    Der lange Weg zur Professur –
    Berufliche Perspektiven
    für Nachwuchswissenschaftler/innen.

    Habe es aber noch nicht im Detail gelesen. Aber der Einstieg klingt interessant:

    “Das Konzept der klassischen Ordinarienuniversität,
    in der ein ordentlicher Professor bzw. eine Professorin die ganze Breite des
    Faches in Forschung und Lehre vertritt, erscheint zunehmend unrealistisch.
    Deshalb sollte es an den Hochschulen künftig neben dem traditionellen Weg
    zur Professur verschiedene Optionen wissenschaftlicher Karrierewege und
    Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Neue Stellenprofile könnten zum Beispiel
    in Forschung und Lehre unterschiedliche Schwerpunkte setzen.”

  7. Promotion = Auszeichnung?

    … ist sie nicht. ganz lebenspraktisch habe ich schon viel zu oft den Satz gehört “Sie kriegen diesen Job jetzt nicht – auch wenn Sie ihn offensichtlich sehr gut machen könnten – aber Sie brauchen erst die zwei Buchstaben mit dem Punkt” oder sogar “Sie können sich den Titel auch kaufen, aber …”.

    also: guter Job & gutes Geld nur nach Promotion … die man bitte extern (neben einem bezahlten Job) machen soll, also unbezahlt.

    Also: Promotion = Eintrittskarte in die Welt der lebenden Menschen (der nicht ins-studierstübchen-zurückgezogenen), der Erwachsenen, derjenigen im richtigen Berufsleben.

    Natürlich hätte ich gern diese Auszeichnung und arbeite auf dieses Ziel zu. Aber ich wünsche mir auch schon seit Kenntnis dieses Problems (ca. zu Beginn des ersten Studiums), dass ich als Wissenschaftlerin (oder früher als Wissenschaftskommunikatorin) arbeiten dürfte auf einer vollen Stelle und normalhoher Vergütung und sogar die Chance auf ‘nen unbefristeten Job hätte – auch ohne diese “Auszeichnung”.

    Solange das aber nicht der Fall ist, bleibt die Diss der Zettel, mit dem man als echter Wissenschaftler/in anerkannt wird.

    Der Rest ist ja aber längst gesagt worden: Es braucht einen strukturellen Wandelt des Systems.

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