Forschungskritisches von Stephan Schleim – 1

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auf der Frequenz von Geist und Gehirn
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Stephan Schleim hinterfragt in seinem Buch "Die Neurogesellschaft" psychologische und philosophische Aussagen der Neurowissenschaften. In diesem ersten Teil umreißt er seine Kritik. Danach geht es mit Prof. Bucher um Spiritualität.

 
MP3 File Dauer: 29:30

 

NACHSCHLAG

Nachdem Stephan meinen technischen Fähigkeiten vertraut, lege ich das Bild doch lieber mal nach 🙂

 

 

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Veröffentlicht von

www.nurindeinemkopf.de

Nach diversen Artikeln und zwei Büchern zwischen Geist und Gehirn hier der Podcast. Wichtigster Punkt: die Übersetzung der aktuellen Erkenntnisse in verständliche Sprache, praktischen Alltag und guten Humor.

45 Kommentare

  1. Willkommen zuhaus!

    Dank Dir! Ich habe das Bild als Logografik des Podcasts eingebaut, auch farblich aufgepeppt. Ich hoffe, das ist in Deinem Sinn.

    Dir eine gute Woche!

  2. @ Arvid, Sprache

    Danke, ich kann die Grafik hier nicht sehen, vertraue aber deinen Fähigkeiten.

    Übrigens denke ich, dass man jemanden nur an einem Ort willkommen heißen kann, an dem man sich selbst befindet. 🙂

  3. Öltanker-Vergleich /@Stephan Schleim

    (Unter “Forschungskritisches…Schleim – 2” sehe ich statt des Kommentarfeldes: “nocache:126c729ca030aa5c52c2d332475fd493#0”. Also kommentiere ich hier …)

    Wie wäre es mit folgendem Vergleich: Mit 302 Steinen (=Neuronen) kann man ein einzelnes Häuschen bauen, mit 80 Milliarden eine ganze Siedlung. Das Baumaterial und das Prinzip des Bauens sind in beiden Fällen gleich, aber das Ergebnis ist quantitativ und qualitativ verschieden. Nichts anderes behaupten die Neurobiologen.

    Und: Das Verhalten höherer Organismen wird augenscheinlich durch die Interaktion von Nervenzellen determiniert, wobei die Aktivität der Nervenzellen durch den sensorischen Input beeinflusst wird. Wenn es möglich wäre, einen tierischen/menschlichen Organismus ohne Nervengewebe heranwachsen zu lassen, hätten wir höchstwahrscheinlich einen lebenden Fleischklumpen vorliegen, mit den kognitiven Fähigkeiten einer Amöbe. Woraus wir schließen können, dass alles, was das Wesen und die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht, in der funktionellen Struktur seines Nervengewebes verschlüsselt ist.

  4. @ Balanus: Hink, hink, hink

    Aber aber, lieber Balanus, was willst du mit deinem Vergleich eigentlich zeigen? Dann baust du mit den 80 Milliarden eben viele kleine Häuschen. Erstens wird aber die Siedlung als solche andere Eigenschaften aufweisen als ein einzelnes Haus (Punkt für mich), andererseits wird jedes kleine Häuschen für sich eben “nur” ein kleines Häuschen für sich sein.

    Man müsste also die ca. 265.000 Häufchen à 302 Neuronen miteinander verbinden und nicht einfach nur nebeneinander reihen. Erstens ist dann nicht deutlich, dass das überhaupt ohne Weiteres geht; zweitens ist auch dann fraglich, dass das neue Ganze nicht neue Eigenschaften aufweist. (Aber es wäre auch dann natürlich nicht funktional identisch mit einem menschlichen Gehirn, ad “im Prinzip ist das nichts anderes als…”)

    Das Verhalten höherer Organismen wird augenscheinlich durch die Interaktion von Nervenzellen determiniert, wobei die Aktivität der Nervenzellen durch den sensorischen Input beeinflusst wird.

    “Augenscheinlich”? Weil man verrauschte Korrelationen misst, meinst du? Und was determiniert denn die Nervenzellen? Hast du das Vorwort von “Die Neurogesellschaft” nicht gelesen? 😉

    Wenn es möglich wäre, einen tierischen/menschlichen Organismus ohne Nervengewebe heranwachsen zu lassen, hätten wir höchstwahrscheinlich einen lebenden Fleischklumpen vorliegen, mit den kognitiven Fähigkeiten einer Amöbe.

    Das ist nicht nur möglich, sondern geschieht (leider) von Natur aus manchmal; schonmal von Anencephalie gehört? Die ist oft nur partiell, z.B. Stammhirn und weitere rudimentäre Strukturen vorhanden, jedoch kein Kortex. Ohne das schafft es der Fetus ohnehin nicht weit. Aber was ist damit nun gezeigt? Ohne Gehirn kein intelligentes Verhalten? Ja, wen wundert das denn heute noch?

    Woraus wir schließen können, dass alles, was das Wesen und die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht, in der funktionellen Struktur seines Nervengewebes verschlüsselt ist.

    Dieses Schlussmodell hast du dir wohl von Gerhard Roth abgeschaut? Oder lass mich raten: Du bist Gerard Roth? 😉 Die Fachdisziplin würde ja schon mal stimmen.

    Muss ich darauf wirklich noch inhaltlich eingehen, um diesen weitreichenden Fehlschluss zu entlarven? Nur weil etwas Notwendig ist, lieber Balanus, ist es noch lange nicht hinreichend; das gilt auch in der Biologie.

    P.S. Der lange versprochene Artikel über Vererbung ist übrigens in der Pipeline.

    P.P.S. Die Server reagieren manchmal nicht richtig; dann kann man es meistens einfach später noch mal probieren; aber ich verstehe schon, dass du diesen genialen Gedanken möglichst schnell aufschreiben wolltest, bevor er verschwindet.

    P^3.S. Entschuldige die Provokationen; aber mir war danach und die provozierst manchmal ja nicht minder.

  5. @ Balanus

    Unter “Forschungskritisches…Schleim – 2” sehe ich statt des Kommentarfeldes: “nocache:126c729ca030aa5c52c2d332475fd493#0”. Also kommentiere ich hier

    Da hat sich der Server etwas “verschluckt”. Kommt manchmal vor, doch das ist meist recht schnell von mir behoben.

  6. @ Martin Huhn

    Da hat sich der Server etwas “verschluckt”.

    Im Augenblick scheint er eine ganze Menge verschluckt zu haben… 😉

  7. @Stephan Schleim

    Du fragst, was ich mit meinem Vergleich (anstelle Deines Öltanker-Vergleichs) sagen will. Nun, lieber Stephan, Du schriebst doch, dass man nicht davon ausgehen könne, dass bei einer Verdopplung der Neuronen usw. alle Prozesse entsprechend gleich blieben, eben ‘doppelt’ aufträten. Woraus ich folgerte, dass Du meinst, mehr Bausteine könnten oder sollten zu anderen, neuen Prozessen führen (die uns allerdings noch unbekannt sind – trotz Hirnforschung)). Mein Beispiel zeigt, dass dies nicht sein muss: Am Funktionsprinzip der Nervenzellen (=Steine) und der Art ihrer Verknüpfung (=Mörtel) ändert sich durch die schiere Masse nichts, wohl aber treten neue Systemeigenschaften auf (Haus vs. Stadt). Aber gut, vielleicht habe ich Dich da falsch verstanden.

    Ich: Das Verhalten höherer Organismen wird augenscheinlich durch die Interaktion von Nervenzellen determiniert, wobei die Aktivität der Nervenzellen durch den sensorischen Input beeinflusst wird.

    Du: “Augenscheinlich”? Weil man verrauschte Korrelationen misst, meinst du?

    Nein, sondern weil, wenn das Nervensystem ausgeschaltet ist, kein aktives Verhalten mehr beobachtet werden kann. Weder bei C. elegans noch bei H. sapiens (an die von Dir kritisierte humane Hirnforschung habe ich dabei überhaupt nicht gedacht; meine Überlegungen basieren schlicht auf neurobiologischen Erkenntnissen).

    Du fragst (rhetorisch), was die Nervenzellen determiniert. Willst Du wissen, was deren Aktivität beeinflusst, wo die auslösenden Reize herkommen, oder was ist Dein Punkt?

    Ohne das [den Kortex] schafft es der Fetus ohnehin nicht weit. Aber was ist damit nun gezeigt? Ohne Gehirn kein intelligentes Verhalten? Ja, wen wundert das denn heute noch?

    Na, immerhin machst Du Dich ja für die Idee stark, dass das Gehirn alleine nicht hinreicht, um (intelligentes) Verhalten zu steuern und um einen Menschen zu dem werden zu lassen, was er ist. Dass also das Gehirn zwar notwendig, aber möglicherweise nicht hinreichend sei für die Persönlichkeit eines Menschen. Okay, was z.B. könnte denn noch fehlen, hast Du irgendeine Idee?

    (Und nicht vergessen, die (plastische) funktionale Struktur des Gehirns ist, soweit wir wissen, das Ergebnis von Gene und Umwelt – das Fehlende sollte also weder im Organismus noch in der Umwelt zu finden sein!)

    (Und komme mir bitte nicht mit der Ausrede, als Agnostiker würdest Du diese Frage offen lassen.)

    Noch ein Wort zu Deiner Email an Arvid Leyh: Du hast ja Recht, der von der empirischen Forschung untersuchte Mensch ist ein sehr reduzierter. Das muss auch so sein, aus methodischen Gründen (Arvid Leyh hat in seinem Kommentar bereits darauf hingewiesen). Die Schwierigkeit besteht eben darin, aus den vielen Teilbefunden ein Ganzes zu konstruieren. Bei Leber, Niere und Lunge hat das bislang ja ganz gut geklappt. Warum sollte das beim Gehirn nicht auch irgendwann gelingen? Zumal man das Gehirn, im Unterschied zu den anderen Organen, ja wunderbar befragen kann (ich denke da an die Arbeit der Psychologen).

    Kurzum, Dein Schluss, dass es “kein Wunder” sei, “wenn die Ergebnisse [der Hirnforschung] am Ende auf ein Menschenbild” deuteten, das eben “sehr reduziert, gefangen und kurzfristig” sei, erscheint mir keineswegs zwingend.

  8. @ Balanus: Binsen

    Aber Prozesse mit neuen Eigenschaften (du nennst sie “Systemeigenschaften”) sind eben andere Prozesse; und wenn es sie vorher nicht gab, dann sind es neue. q.e.d.

    Du räumst im Nachsatz in einer Klammer ein, dass andere Aspekte (du zählst Gene und Umwelt auf aber damit ist noch lange nicht alles gesagt) eine Rolle spielen aber stellst dann vorher doch fest, dass das Gehirn alles determiniert. Bist du dir denn dieser Widersprüchlichkeit oder zumindest einseitigen Selektivität denn überhaupt nicht bewusst?

    Na, immerhin machst Du Dich ja für die Idee stark, dass das Gehirn alleine nicht hinreicht, um (intelligentes) Verhalten zu steuern und um einen Menschen zu dem werden zu lassen, was er ist.

    Ohne Menschen, die mit mir gesprochen hätten, könnte ich dir wahrscheinlich gar keine Antwort schreiben.

    Ohne meinen Laptop auch nicht.

    Gut, vielleicht sind meine Berichte nicht “intelligentes Verhalten”; eventuell ein Punkt für dich. 😉

  9. P.S. Mal anders formuliert

    Du weißt mindestens genauso gut wie ich von Gen-Umwelt-Interaktionen; und wenn du genau hinschaust, dann weißt du auch, dass die Umwelt- und Interaktionseffekte oft größer sind als die Geneffekte (die oft nicht mal signifikant sind). Dennoch verteidigst du die Gen-Determination (siehe frühere Diskussionen: letztlich sei alles Produkt genischer Prozesse).

    Ganz analog deine Denke beim Gehirn: Obwohl es all die anderen Determinanten gibt, wirklich determinieren “darf” nur das Gehirn.

    Dein Problem ist echt ein blinder (psychischer) Fleck, um es mal so zu formulieren: Nur unter der Annahme, dass alle anderen Variablen konstant bleiben, Determiniert eben das Gehirn völlig (ist eben nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend). All die Variablen, die in Wirklichkeit (außerhalb dem Experiment) eben nicht konstant bleiben, die werden von dir in zweitrangige gedankliche Klammern ausgelagert.

  10. Noch mehr Binsen /@Stephan Schleim

    Nun sag’ doch mal konkret, welche Prozesse im Menschenhirn anders ablaufen als etwa im Nervengewebe eines Fadenwurms. Wenn die veränderte Eigenschaft eines Systems nur durch eine andere (komplexere) Struktur generiert wird, ohne dass sich die Prozesse der Grundelemente ändern, würde ich nicht von anderen, neu entstandenen Prozessen sprechen. Mein aktueller Laptop hat andere Systemeigenschaften als mein erster PC, aber ich denke nicht, dass im neuen Prozessor andere Prozesse ablaufen als im alten. Die Art der Verschaltung macht’s halt.

    Du räumst im Nachsatz in einer Klammer ein, dass andere Aspekte (du zählst Gene und Umwelt auf aber damit ist noch lange nicht alles gesagt) eine Rolle spielen aber stellst dann vorher doch fest, dass das Gehirn alles determiniert. Bist du dir denn dieser Widersprüchlichkeit oder zumindest einseitigen Selektivität denn überhaupt nicht bewusst?

    Offensichtlich nicht. Ich sage, dass das Gehirn, oder besser: das Nervensystem alles Verhalten determiniert. Damit meine ich, dass jedes kleine Muskelzucken, das nicht aus dem Muskel selbst stammt, durch Nervenimpulse erzeugt wird (Binsen, ja ich weiß). Dass sich zuvor das Nervensystem und insbesondere das Gehirn im Wechselspiel mit der Umwelt entwickelt haben, ist da kein Widerspruch, sondern die Voraussetzung für diese Determination (oder sollte ich besser ‘Steuerung’ sagen?).

    Ohne Menschen, die mit mir gesprochen hätten, könnte ich dir wahrscheinlich gar keine Antwort schreiben.

    Zählst Du die Menschen nicht zu Deiner Umwelt?

    Du weißt mindestens genauso gut wie ich von Gen-Umwelt-Interaktionen; und wenn du genau hinschaust, dann weißt du auch, dass die Umwelt- und Interaktionseffekte oft größer sind als die Geneffekte (die oft nicht mal signifikant sind). Dennoch verteidigst du die Gen-Determination (siehe frühere Diskussionen: letztlich sei alles Produkt genischer Prozesse).

    Ich sage nur, dass genetische Instruktionen dafür sorgen, dass im Gehirn (und nicht nur dort) Strukturen entstehen, die eine Interaktion mit der Umwelt überhaupt erst ermöglichen (schon wieder Binsen…).

    Ganz analog deine Denke beim Gehirn: Obwohl es all die anderen Determinanten gibt, wirklich determinieren “darf” nur das Gehirn.

    Die anderen Determinanten verändern oder beeinflussen das Gehirn, welches dann das Verhalten determiniert. Aber dass diese anderen Determinanten überhaupt Einfluss nehmen können, ist auch wieder eine aktive Leistung des Organismus bzw. des Gehirns. Und die dafür notwendigen Strukturen entstehen aufgrund genetischer Instruktionen. So einfach ist – nein, sehe ich das. Aber vielleicht liege ich mit meiner Sicht der Dinge ja falsch.

    (Puh, ist spät geworden… kannst ja in Deidesheim mit Arvid Leyh weiterdiskutieren, der scheint in diesen Fragen recht ähnlicher Auffassung zu sein wie ich, wenn ich nicht irre).

  11. @ Balanus

    Ich muss gleich packen und heute zurück nach Groningen fahren, daher nur kurz:

    Die anderen Determinanten verändern oder beeinflussen das Gehirn, welches dann das Verhalten determiniert. Aber dass diese anderen Determinanten überhaupt Einfluss nehmen können, ist auch wieder eine aktive Leistung des Organismus bzw. des Gehirns.

    Wenn ein Höhenstrahl eine genische Mutation anregt, dann ist das deines Erachtens auch eine “aktive Leistung” des Genoms?

    Deine Rede vom Gehirn- (oder Gen-) Determinismus ist meines Erachtens trügerisch, weil sie einen einseitigen Kausalitätspfeil nahelegt, wo sich meiner Meinung nach keine klare Richtung oder Hierarchie angeben lässt. Mensch (oder allgemeiner Lebewesen) und Umwelt determinieren sich gegenseitig.

    Die Fälle in denen Forscher von Gehirndetermination sprechen, unterschlagen eben, dass dafür (im Experiment) alles andere konstant gehalten werden muss; und selbst dann bleibt doch meistens noch Rauschen, das der Forscher einfach “Zufall” nennt. Das ist die Welt aber eben nicht; und selbst im Experiment ist es der Forscher, der das Gehirn seiner Versuchspersonen (oder -Tiere) determinieren will, sonst könnte er doch überhaupt keine replizierbare Messung aufzeichnen.

    Grüße aus Köln

  12. Frage des Fokus

    Ich habe inzwischen in der Neurogesellschaft weitergelesen und so kamen mir gestern Nacht noch zwei Gedanken:

    Zum einen vermute ich, dass ich mit Deiner – Stephan´s – Scannererfahrung auch eher skeptisch wäre. Du betrachtest wissenschaftliche Voxel mit fragwürdiger Aussagekraft.

    Ich – hier kann ich nur für mich sprechen – versuche mit meiner Küchenphilosophie ein System im System zu finden. In meinem System stellt sich gar nicht die Frage, ob und wie Außenereignisse ein womöglich determiniertes System beeinflussen. Die Antwort heisst einfach Sensorik.

    Was mir bei Dir fehlt – wieder Stephan – ist die Formulierung der Alternative. Der im Interview angesprochene Dualismus: Wenn Dein Geist nicht durch Neurone rauscht (das Ereignis von Bruno Jennrich in den Kommentaren von Teil 2, spricht aus meiner Sicht einiges dafür), wo ist er dann? Oder sollte ich fragen: was? Oder verstehe ich Dich völlig miss?

  13. @ Arvid: Geist

    Die Bedeutung des Worts “Geist” ist unklar; im englischen Sprachraum gibt es den Vorschlag, mit “mind” die Summe geistiger Fähigkeiten (so wie Rechnen, Abwegen, Sprechen usw.) zu bezeichnen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass der Geist ein “Ding” ist.

    Nicht Dualismus — epistemisch-sprachlicher Pluralismus. Hast du das Interview mit Arvid Leyh nicht gehört? 😉 Die geistigen Fähigkeiten umfassen nicht nur das Gehirn, sondern unseren Körper sowie Aspekte unserer Umwelt, bsp. Werkzeuge, die wir gebrauchen, um bestimmte geistige Leistungen zu vollbringen.

    Aber du hast völlig Recht, lieber Arvid, dass ich auf eine Alternative nur deute. Würden naive Neurodeterministen nicht so viel Aufmerksamkeit erfahren, ich hätte mit meinen Büchern wohl noch ein paar Jahre gewartet. Für die Entwicklung einer neuen Psychologie wird man mir wohl hoffentlich noch ein paar Jahre Zeit geben. 🙂

  14. Kausalitätspfeile @Stephan Schleim

    Deine kurze Antwort verlangt eine lange Erwiderung. Nun denn:

    Wenn ein Höhenstrahl eine genische Mutation anregt, dann ist das deines Erachtens auch eine “aktive Leistung” des Genoms?

    Natürlich gibt es (physikalische) Einwirkungen, die ein Organismus passiv erleiden muss. Wem z.B. ein Dachziegel auf den Kopf fällt, könnte einen dauerhaften Dachschaden erleiden. Aber um derartige Einwirkungen geht es bei der Gen-Umwelt-Interaktion nicht.

    Deine Rede vom Gehirn- (oder Gen-) Determinismus ist meines Erachtens trügerisch, weil sie einen einseitigen Kausalitätspfeil nahelegt, wo sich meiner Meinung nach keine klare Richtung oder Hierarchie angeben lässt. Mensch (oder allgemeiner Lebewesen) und Umwelt determinieren sich gegenseitig.

    Mit dem Kausalitätsbegriff habe ich in der Tat Schwierigkeiten. Im meinem Beispiel oben war der Dachziegel eindeutig die Ursache für den Dachschaden. Aber angenommen, ein Kind fasst auf eine heiße Herdplatte. Kann man dann sagen, die heiße Herdplatte war die Ursache dafür, dass das Kind gelernt hat, Herdplatten zu meiden? Oder war der erlittene Schmerz die Ursache für das Lernen? Die Ursache für die Brandblasen war die Herdplatte allemal. Menschen, die keine Schmerzen empfinden, lernen nur sehr schlecht, Verletzungen zu vermeiden.

    Was vom sensorischen Apparat nicht wahrgenommen und auf höheren Ebenen verarbeitet wird oder werden kann, kann im Organismus auch keine Wirkung im Sinne einer psychischen Veränderung, etwa eines Lerneffekts, entfalten (woraus z.B. eine Prägung folgen kann).

    Der Organismus entwickelt selbsttätig die sensorischen Strukturen und verarbeitet selbsttätig die eingehenden Reize (was ja nichts weiter sind als bestimmte physikalische Muster, auf die ein Organismus aus sich heraus reagieren kann).

    Was also spricht dagegen, in Sachen Lernen und Prägung den Kausalitätspfeil allein vom Organismus ausgehen zu lassen?

    Im anderen Thread war die Rede vom Anthropozentrismus. Ich mache mich hier für einen umfassenden Organozentrismus stark ;-).

    Die Fälle in denen Forscher von Gehirndetermination sprechen, unterschlagen eben, dass dafür (im Experiment) alles andere konstant gehalten werden muss; und selbst dann bleibt doch meistens noch Rauschen, das der Forscher einfach “Zufall” nennt. Das ist die Welt aber eben nicht; und selbst im Experiment ist es der Forscher, der das Gehirn seiner Versuchspersonen (oder -Tiere) determinieren will, sonst könnte er doch überhaupt keine replizierbare Messung aufzeichnen.

    Ich verstehe schon (glaube ich), was Du meinst. Wenn ich einem Probanden ein bestimmtes Bild zeige, manipuliere ich ihn selbstverständlich. Aber ich würde nicht sagen, dass ich ihn oder seine Wahrnehmung determiniere. Das Bild ist zwar die Ursache für eine bestimmte Reaktion, aber auch nur deshalb, weil das auf diese Weise manipulierte Gehirn (oder die Person) mit dem physikalischen Farbmuster des Bildes etwas anfangen kann. Eine echte kausale Wirksamkeit im Sinne einer physikalischen Verursachung (etwa durch Kräfte) geht von dem Bild meines Erachtens nicht aus (abgesehen von den Änderungen am Sinnesrezeptor, die aber nur dann relevant werden, wenn ein funktionierendes Nervensystem die Reize entsprechend verarbeiten kann – was aber vom manipulierenden Versuchsleiter völlig unabhängig ist.)

    Aber wie gesagt, die Anwendung des Kausalitätsbegriffs bei der Wahrnehmung, also zu bestimmen, in welche Richtung der Kausalitätspfeil dabei zeigt, finde ich schwierig. So ganz blicke ich da noch nicht durch. Sicherlich haben Philosophen schon eine Menge dazu gesagt, ich müsste mich da mal kundig machen 😉

  15. @ Balanus: Entweder-oder-Denken

    Bleiben wir doch beim Höhenstrahl, der eine Mutation auslöst, und nicht bei deinem Dachziegel.

    Der Höhenstrahl kommt irgendwo aus dem Weltall, von einer Sonne, zwei kollidierten Himmelskörpern…? Ist das die Ursache? Und dass dort gerade kein Komet im Weg war, der ihn blockiert hätte, ist das eine Ursache? Denn sonst wäre der Strahl ja nicht bis zur Erde vorgedrungen. Und dass das Gravitationsfeld eines Planeten diesen Kometen so abgelenkt hat, dass er dem Strahl nicht blockiert?

    Aber der Höhenstrahl trifft schließlich auf ein Lebewesen, eine Zelle und löst eine Mutation aus. Ist also der Höhenstrahl die Ursache der Mutation? Schauen wir uns aber das Ergebnis derselben an: Dann sind sicher die Gene, molekulare, chemische, epigenische, organismische — wie willst du sie nennen? — Prozesse daran beteiligt, Prozesse, die den Spielraum der Möglichkeiten eingrenzen und beeinflussen, dass der Höhenstrahl Mutation A1 und nicht A2 bis An hervorgerufen hat (siehe auch unser Buch zum Thema “Zufall”).

    Ich kann mir natürlich das Ergebnis (A1) anschauen und den Organismus gedanklich konstant halten und dann sagen, ja, der Höhenstrahl, der hat A1 verursacht. Ich kann aber auch den Höhenstrahl konstant halten und meine Aufmerksamkeit auf die organismischen Prozesse richten und sagen, es waren diese Prozesse, die unter diesen Bedingungen verursachten, dass A1 und nicht ein A2 bis An realisiert wurde.

    Was wir als Ursache identifizieren, das hängt auch davon ab, wonach wir suchen. Wenn du mich fragst, sollten wir daher nicht aufhören, von Freiheit zu sprechen (Singer), sondern von naiven Ursachen und Determinationen.

  16. Höhenstrahlen /@Stephan Schleim

    Ich glaube, es besteht kein Dissens darüber, dass wir bei der Festlegung, was Ursache und was Wirkung in einer quasi unendlichen Kette von Ereignissen ist, gewisse Freiheiten haben. Entscheidend dürfte dabei sein, wonach wir fragen, oder, wie Du sagst, wonach wir suchen. Aber wie auch immer, um bei Deinem Beispiel zu bleiben, die Ursache der Mutation war – vereinfacht gesagt – der Höhenstrahl, und nicht umgekehrt die Mutation die Ursache für den Höhenstrahl, egal, wie viele Faktoren bei dem genauen Ablauf der Ereignisse noch eine (kausale) Rolle spielen mögen.

    Aber das Höhenstrahlbeispiel hilft uns überhaupt nicht weiter, wenn es um geistige oder psychische Phänomene geht.

    Alles, was auf den Körper (inklusive Gehirn) einwirken kann, ist notwendigerweise physischer oder physikalischer (oder materieller) Natur (siehe Höhenstrahl). Eine Einwirkung rein psychischer Faktoren oder geistiger Inhalte von außen kann es naturgemäß nicht geben. Daraus folgt, dass das Individuum aus einem materiellen Input (z.B. optische oder akustische Reize) höchstselbst einen geistigen Input konstruieren muss.

    Anders formuliert: Es gibt trivialerweise keinen Weg, Gedanken und Ideen von einem auf das andere Individuum zu übertragen, ohne einen physikalischen Träger zu benutzen. Der Mensch ist geistig und psychisch absolut isoliert.

    Und wenn es keinen Empfänger gibt, der (dank genetischer Instruktionen) weiß, wie man mit bestimmten physikalischen Reizen umzugehen hat (etwa, wie man lernt), können diese Reize auch nicht “prägend” oder “formend” wirken.

    An die Adresse Arvid Leyhs hast Du geschrieben:

    Die geistigen Fähigkeiten umfassen nicht nur das Gehirn, sondern unseren Körper sowie Aspekte unserer Umwelt, bsp. Werkzeuge, die wir gebrauchen, um bestimmte geistige Leistungen zu vollbringen.

    Ich meine: Körper ohne Geist gibt es zuhauf, aber keinen Geist ohne Körper.

    Ein Werkzeug ist für mich die Materialisation einer geistigen Leistung, sozusagen der Ausdruck höherer geistiger Fähigkeiten — aber nicht Teil dieser Fähigkeiten. Nach dem, was ich oben ausgeführt habe, endet der individuelle Geist an der äußeren Körperhülle.

  17. @ Balanus: Ablenkungsmanöver?

    Aber wie auch immer, um bei Deinem Beispiel zu bleiben, die Ursache der Mutation war – vereinfacht gesagt – der Höhenstrahl, und nicht umgekehrt die Mutation die Ursache für den Höhenstrahl, egal, wie viele Faktoren bei dem genauen Ablauf der Ereignisse noch eine (kausale) Rolle spielen mögen.

    Wieso willst du plötzlich die Zeit umdrehen? Es war doch nie die Sprache davon, dass die Mutation den Höhenstrahl verursacht. Taktisches Verwirrungsmanöver? Der Punkt ist doch, dass sowohl im Organismus als auch außerhalb kausal relevante Faktoren sind, ohne welche die Mutation (so) nicht stattfindet; und dann passt das Beispiel eben doch!

    Alles, was auf den Körper (inklusive Gehirn) einwirken kann, ist notwendigerweise physischer oder physikalischer (oder materieller) Natur (siehe Höhenstrahl).

    Wie kommst du auf das “notwendigerweise”? Das ist doch nur deine Hypothese. Wenn du das Körper-Geist-Problem schon gelöst hast (vielleicht per Erleuchtungserlebnis?), dann brauchen wir ja eigentlich nicht weiter zu diskutieren.

    Selbst wenn ich dir den Punkt schenkte: Die Frage ist nicht, ob alles, was auf den Geist wirkt, notwendigerweise physikalisch ist, sondern ob es notwendigerweise nur physikalisch ist. Das ist ein bedeutender Unterschied!

    Das Wort auf der Tafel ist auch physikalisch, weil es einen Träger hat (die Kreide), es ist wahrscheinlich aber nicht nur physikalisch, weil es eine Bedeutung hat — und bisher hat niemand überzeugend darlegen können, wie Bedeutung (in einem anspruchsvollen Sinn) naturalisiert werden könnte.

    Wenn du das unterschlägst, dann begehst du in dieser Diskussion den argumentatorischen Fehler einer petitio principi. Aber wenn es dich beruhigt: Das machen viele.

  18. Petitio principii /@Stephan Schleim

    Taktisches Verwirrungsmanöver?

    Nein, aber zugegeben, die Bemerkung mit der Umkehrung der Kausalität bzw. Zeit hätte ich mir sparen können. Mir kam es nur darauf an, herauszustellen, dass Dein Höhenstrahl-Beispiel nicht dazu taugt, meine Sicht der Wahrnehmungsprozesse zu untergraben: Eine von außen kommende physikalische Kraft wirkt auf den Organismus ein und verursacht Effekte, im Beispielsfall eben eine Schädigung der DNA.

    Du schreibst ja selbst, dass bei diesem Vorgang “sowohl im Organismus als auch außerhalb kausal relevante Faktoren” vorliegen. Nichts anderes sage ich.

    Auch bei Sinneswahrnehmungen rufen physikalische Reize Veränderungen im Organismus hervor, doch diesmal an den dafür vorgesehenen Strukturen, den Rezeptoren. Und alles, was danach passiert, ist eben nach Erkenntnislage eine zweckgerichtete, aktive Leistung des Organismus.

    Wie kommst du auf das “notwendigerweise”? Das ist doch nur deine Hypothese. Wenn du das Körper-Geist-Problem schon gelöst hast (vielleicht per Erleuchtungserlebnis?), dann brauchen wir ja eigentlich nicht weiter zu diskutieren.

    Das ist nun interessant. Einerseits sagst Du, dass der Geist kein “Ding” sei. Geist, so habe ich Dich verstanden, sei eine umfassende Fähigkeit des menschlichen Organismus, also seines Körpers und darüber hinaus sogar seiner kulturellen Produkte, etwa den Werkzeugen. Wo siehst Du da ein spezifisches “Körper-Geist-Problem”? Nach meinem Dafürhalten stammt dieser Begriff bzw. dieses Problem aus der Mottenkiste der Dualisten (kein Wunder, dass auch Arvid Leyh Dich des Dualismus “verdächtigt” hat ;-))

    Das Wort auf der Tafel ist auch physikalisch, weil es einen Träger hat (die Kreide), es ist wahrscheinlich aber nicht nur physikalisch, weil es eine Bedeutung hat…

    Nein, für sich genommen haben die Kreidelinien auf der Tafel überhaupt keine Bedeutung. Semantische Information oder “Bedeutung” kann es nur in Organismen geben, nicht außerhalb. Die Augen des Betrachters registrieren nur ein spezifisches Linienmuster.

    …– und bisher hat niemand überzeugend darlegen können, wie Bedeutung (in einem anspruchsvollen Sinn) naturalisiert werden könnte….

    Du sprichst hier sicherlich ein schwieriges philosophisches Problem an. Unter einer “Naturalisierung” von “Bedeutung” kann ich mir nämlich nichts Konkretes vorstellen. Wozu wäre es gut, wenn “Bedeutung” “naturalisiert” würde?

    …Wenn du das unterschlägst, dann begehst du in dieser Diskussion den argumentatorischen Fehler einer petitio principi. Aber wenn es dich beruhigt: Das machen viele.

    Nun, wie ist es, denkst Du nach mienen obigen Ausführungen noch immer, ich beginge den Fehler einer petitio principii?

  19. @ Balanus: nochmal Determination

    Gut; dann können wir jetzt mal festhalten, dass Umwelt und Organismus, Gen und Geschichte, Gehirn und Situation determinierende Komponenten haben und es daher falsch ist, nur von Gehirn-Determination zu sprechen.

    Nein, für sich genommen haben die Kreidelinien auf der Tafel überhaupt keine Bedeutung. Semantische Information oder “Bedeutung” kann es nur in Organismen geben, nicht außerhalb. Die Augen des Betrachters registrieren nur ein spezifisches Linienmuster.

    In meinem Argument ging es nicht darum, ob Bedeutung innerhalb oder außerhalb von Organismen besteht, sondern ob sich Bedeutung rein naturalistisch begreifen lässt.

    Wenn das Wort an der Tafel, ganz gleich ob als Wort an der Tafel oder Repräsentation im Organismus (das “Wo” spielt keine Rolle) eine Bedeutung hat, die sich nicht vollständig naturwissenschaftlich erfassen lässt — und wie ich schrieb, ist das bisher für anspruchsvolle Fälle nicht einmal in Ansätzen gelungen –, dann ist der Naturalismus falsch, dann lässt sich nicht alles in der Welt naturwissenschaftlich verstehen.

    Wir diskutieren das Körper-Geist-Verhältnis; und bei Bedeutung handelt es sich ebenso wie bei Erlebnisqualitäten eben um ein zentrales Beispiel für etwas, das wir sprachlich und introspektiv aber eben (wie es scheint) nicht naturwissenschaftlich erfassen können.

  20. Petitio principii (2) /@Stephan Schleim

    Wenn Du sagst, dass wir das Körper-Geist-Verhältnis diskutieren — begehst Du dann nicht genau den argumentatorischen Fehler, den Du bei mir zu sehen glaubtest?

    Nach meiner Auffassung gibt es ja gar keinen “Geist”, der zu einem Körper in irgendeinem Verhältnis stehen könnte.

    “Geist” ist unser Begriff für die subjektiv erlebten Eigenschaften unseres Gehirns (oder so ähnlich), mehr nicht. Ein Abstraktum, ein materielles Nichts. Es besteht meines Erachtens überhaupt keine Notwendigkeit, abstrakte Begriffe zu naturalisieren, mehr noch, das erscheint mir schlechterdings unmöglich.

    Andererseits können wir berechtigterweise annehmen, dass Erlebnisqualitäten, die naturgemäß nicht direkt messbar sein können, durch bestimmte neuronale Aktivitäten verursacht werden (und nicht umgekehrt!).

    Sprache und Introspektion können leicht in die Irre führen, finde ich.

    Gut; dann können wir jetzt mal festhalten, dass Umwelt und Organismus, Gen und Geschichte, Gehirn und Situation determinierende Komponenten haben und es daher falsch ist, nur von Gehirn-Determination zu sprechen.

    Nun gut, solange Du nicht bestreitest, dass Hirnprozesse die unmittelbare Ursache jeglicher Verhaltensäußerungen sind, bin ich – unter gewissen Vorbehalten – einverstanden. (Manche halten es ja für möglich, dass das Gehirn via “freien Willen” als Erstauslöser von Ereignissen fungieren kann, also ohne jegliche determinierende Komponente von außen. So gesehen ist Deine Beschreibung der determinierenden Einflüsse ja ein Fortschritt.)

    Dennoch könntest Du bei Gelegenheit mal ausführen, wie Du Dir die Determination des Gehirns von außen so vorstellst. Wie schafft es z.B. ein Gemälde, ein Gehirn zu determinieren? Wäre es nicht doch richtiger, wenn wir genauer hinschauen, wenn wir von einer Art Selbst-Determination sprächen?

  21. @Balanus & Ihrem Verständnis von “Geist”

    Das ist neu für mich, wenn Sie schreiben:

    “Geist” ist unser Begriff für die subjektiv erlebten Eigenschaften unseres Gehirns (oder so ähnlich)

    Sie wissen doch sicherlich, dass wir unser Hirn gar nicht wahrnehmen und damit auch keine Eigenschaften von ihm “erleben” können! Auch Hirnforscher bezeichnen Hirneigenschaften m.W. nicht als geistig, sondern sach- und fachgerecht als “neuronal”. Ich kenne nur die vage Rede davon, dass neuronale Vorgänge oder “Hirnprozesse” unseren geistigen Leistungen “zugrunde liegen” oder auf ihnen “beruhen”, wenn sie die nicht sogar “hervorrufen” sollen. (Das ist übrigens ein seltsamer Gedanke: danach würden analoger Weise Muskelkontraktionen und Bewegungen aus mechanischer Perspektive nicht synchrone, also gleichzeitige Erscheinungen oder “Phänomene” sein, sondern würden die einen die anderen “hervorrufen”, “erzeugen” oder verursachen!)

    Die Leistungen(!) von uns, die traditionell “geistig” genannt werden und von Ihnen sicherlich gemeint wurden, sind Eigenaktivitäten von uns selbst bzw. als solche sprachlich konzipiert, also gerade nicht als Leistungen “des Gehirns”! (Nur sprachlich unsensible oder rücksichtslose Neurowissenschaftler “reden” so, eine sprachliche “Vergewaltigung”, die von dem australischen Hirnforscher Max Bennett in Zusammenarbeit mit dem einschlägig versierten Sprachphilosophen Peter MS Hacker schon vor Jahren kritisiert wurde. Ihr Buch “Philosophical Foundations of Neuroscience” liegt seit letztem Jahr auch in deutscher Übersetzung vor.)

    Traditionell nun mal “geistig” genannte Aktivitäten (auch hier nicht eines “Geistes”, sondern von uns!) führen wir zwar nicht mit Extremitäten oder dem gesamten Körper aus wie Bewegungen, sondern erlebensmäßig “im Kopf”. Mehr können wir aus eigenem Erleben allein nicht sagen. Nur wer aus anderen Quellen weiß und z.B. “gelernt” hat, dass wir im Kopf ein “Hirn” genanntes “Organ” – dt. Werkzeug! – haben, kann seine Denk- und sonstigen “geistigen” Leistungen damit in Verbindung bringen. Sie solcherart in Beziehung zu setzen heißt aber nicht sie gleichzusetzen; dies ginge zu weit so wie auch die dazu nötigen Muskelkontraktionen nicht die Bewegungen “sind” – mit ihnen gleichzusetzen sind -, die wir jeweils meinen, beispielsweise Winken!

    Im 3. Absatz meiner Zuschrift hier habe ich Sie schon in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, wie sinnvoll es ist, Hirnprozesse nicht nur “neuronal”, sondern auch noch “geistig” zu nennen.

  22. Pardon

    Mein Satz Ich kenne nur die vage Rede davon, dass neuronale Vorgänge oder “Hirnprozesse” unseren geistigen Leistungen “zugrunde liegen” oder auf ihnen “beruhen”, wenn sie die nicht sogar “hervorrufen” sollen. ist auf die Schnelle sprachlich daneben gegangen. Ich hoffe trotzdem, dass erkennbar wird, was ich meine; genau müsste er jedenfalls so lauten:

    Ich kenne nur die vage Rede davon, dass neuronale Vorgänge oder “Hirnprozesse” unseren geistigen Leistungen “zugrunde liegen”, diese auf jenen “beruhen” oder diese ersteren die zweiten sogar “hervorrufen” sollen.

  23. @ Balanus: keine petitio

    Wenn Du sagst, dass wir das Körper-Geist-Verhältnis diskutieren — begehst Du dann nicht genau den argumentatorischen Fehler, den Du bei mir zu sehen glaubtest?

    Nein, denn erstens ist “Körper-Geist-Problem” schlicht der Name der Debatte und zweitens hatten wir es schon, dass man “Geist” nicht als Seelensubstanz, sondern als Oberbegriff für die geistigen Fähigkeiten verstehen kann, deren Existenz auch du nicht leugnest. (Man bedenke, dass jeder dieser Gründe für sich genommen hinreichend ist.)

    “Geist” ist in diesem Sinne metaphysisch neutral. Du könntest natürlich probieren (und manche Philosophen und Hirnforscher versuchen es ja), das geistige Vokabular vollständig auf neurowissenchaftliches zu reduzieren oder es zu eliminieren; meiner Einschätzung nach geschieht aber gerade das Gegenteil, d.i. immer mehr Hirnforscher adaptieren geistiges Vokabular, um ihre Erkenntnisse überhaupt erklären zu können.

    Wenn du “Geist” anders definierst, ist das die eine Sache; deshalb begehe ich aber noch lange keine petitio principi.

    Andererseits können wir berechtigterweise annehmen, dass Erlebnisqualitäten, die naturgemäß nicht direkt messbar sein können, durch bestimmte neuronale Aktivitäten verursacht werden (und nicht umgekehrt!).

    Wieso “Verursachung”? Wie kommst du darauf? Wenn Gehirnprozesse geistige Prozesse realisieren (d.i. in die Welt bringen), dann ist das nicht notwendigerweise eine Kausalrelation (sondern z.B. Supervenienz, Emergenz, mereologische Relation usw.).

    Balanus, du bist ein Kausalfetischist!

    Außerdem rennst du selbst in ein Dualismusproblem, wenn du auf der einen Seite von Gehirnprozessen sprichst, die auf der anderen Seite Erlebnisse verursachen; aber das schenke ich dir hier.

    Sprache und Introspektion können leicht in die Irre führen, finde ich.

    Und wissenschaftliche Versuche nicht? Und wer liest eigentlich die Experimente ab und wer publiziert sie? Ein Hirnscanner? Hmm… Was habe ich nur falsch gemacht? 😉

    Nun gut, solange Du nicht bestreitest, dass Hirnprozesse die unmittelbare Ursache jeglicher Verhaltensäußerungen sind, bin ich – unter gewissen Vorbehalten – einverstanden.

    Wieso denn jetzt bitte “unmittelbare” Ursachen? Was ist das denn für eine künstliche Einführung? Das ist wieder nur dein Trick, um alles, was nicht Gehirn ist, auszuschließen. Wie zuvor willst du alles andere unter den Teppich kehren, sodass überhaupt nur das Gehirn übrig bleibt.

    Beantworte nur das: In welchem Zeitraum wirken denn “unmittelbare” Ursachen? Stunden, Minuten, Sekunden, Millisekunden, Mikrosekunden…?

    (Manche halten es ja für möglich, dass das Gehirn via “freien Willen” als Erstauslöser von Ereignissen fungieren kann, also ohne jegliche determinierende Komponente von außen. So gesehen ist Deine Beschreibung der determinierenden Einflüsse ja ein Fortschritt.)

    Wer sagt denn, dass das Gehirn nicht aus sich heraus neue Prozesse anstoßen kann? Wolf Singer spricht doch manchmal selbst von “thermischem Rauschen” und “Zufall”. Dass das Gehirn ein vollständig deterministisches System ist, das muss erst mal jemand nachweisen…

    …aber damit ist natürlich ein freier Wille nicht gerettet; darum geht es hier aber auch nicht.

  24. @ Ingo-Wolf Kittel

    Das ist neu für mich, wenn Sie schreiben:

    “Geist” ist unser Begriff für die subjektiv erlebten Eigenschaften unseres Gehirns (oder so ähnlich)

    Sie wissen doch sicherlich, dass wir unser Hirn gar nicht wahrnehmen und damit auch keine Eigenschaften von ihm “erleben” können!

    Gemeint war das Bewusstwerden von Gedanken, Überlegungen, Ideen etc.

  25. Körper-Geist-Problem /@Stephan Schleim

    Okay, dann geht es bei dieser Körper-Geist-Problem-Debatte also nur darum, wie das zentrale Nervensystem (Körper) es schafft, bestimmte Leistungen zu vollbringen (oder zu realisieren), die wir dann als “geistig” bezeichnen?

    Handelt es sich dabei, Deiner Meinung nach, eher um ein biologisches oder doch eher um ein philosophisches Problem?

    Balanus, du bist ein Kausalfetischist!

    Ja, irgendwie schon. Das Konzept von der Ursache-Wirkung-Beziehung finde ich faszinierend und außerordentlich fruchtbar.

    Bei Gelegenheit könntest Du mal erklären, wie man sich das neurobiologisch so vorstellt, wenn “Gehirnprozesse geistige Prozesse realisieren“. Was passiert da, in welcher zeitlichen Reihenfolge, oder geschieht alles zeitlich parallel? Was muss man sich unter “geistigen Prozessen” vorstellen (im Unterschied zu den physikalischen Hirnprozessen)?

    Außerdem rennst du selbst in ein Dualismusproblem, wenn du auf der einen Seite von Gehirnprozessen sprichst, die auf der anderen Seite Erlebnisse verursachen; aber das schenke ich dir hier.

    Danke! Ich bediene mich nicht nur einer dualistischen Sprache, ich empfinde auch so. Im Grunde bin ich ein heimlicher Dualist, wie jeder andere auch.

    Aber dass ich mit meiner Rede von Gehirnprozessen und dem bewusstem Erleben dieser Prozesse (Erlebnisse) bereits in die Dualismusfalle tappe, möchte ich doch bestreiten wollen. Schließlich ist dieses “Erleben” ja selbst “nur” neuronale Aktivität (meiner Ansicht nach).

    Beantworte nur das: In welchem Zeitraum wirken denn “unmittelbare” Ursachen? Stunden, Minuten, Sekunden, Millisekunden, Mikrosekunden…?

    Über das Willkürliche bei der Bestimmung von Ursache und Wirkung in einer endlosen Kette von Ereignissen hatten wir uns ja schon verständigt. Nicht die Zeitspanne ist hier relevant, sondern die Reihenfolge. Was das Verhalten von Organismen angeht, so könnte man alles, was innerhalb des Organismus an physikalischen Ereignissen in Richtung ausführende Organe abläuft (Efferenzen), als “unmittelbar” für eben dieses Verhalten bezeichnen. Also alles, was NACH der internen Verarbeitung der umweltbedingten Wahrnehmungsprozesse abläuft.

    Anders formuliert: Die Effekte der Umwelt enden, mit wenigen Ausnahmen, an der äußeren Körperhülle. Von dort ab liegt es am jeweiligen Organismus, was zentral verarbeitet wird und anschließend in Verhaltensäußerungen einfließt. Deshalb ist der Einfluss der Umwelt nur mittelbar.

    Wer sagt denn, dass das Gehirn nicht aus sich heraus neue Prozesse anstoßen kann? Wolf Singer spricht doch manchmal selbst von “thermischem Rauschen” und “Zufall”. Dass das Gehirn ein vollständig deterministisches System ist, das muss erst mal jemand nachweisen…

    Nee, dass sehe ich anders. Dass es nicht so ist, muss erst mal einer nachweisen. Wir schreiben schließlich das Jahr 2011 und blicken auf eine unüberschaubare Menge an Literatur zurück, die die Sicht von einem durchgängigen Determinismus—auch in lebenden Systemen—stützen.

    Das sogenannte “thermische Rauschen” und Zufallsereignisse wie die Spontanaktivität von Nervenzellen sorgen lediglich dafür, dass das deterministische System Gehirn unberechenbar ist und bleibt. Mit der Erstauslösung von Ereignissen, also dem unabhängigen in Gang setzen einer Kausalreihe, hat das nichts zu tun.

  26. @ Balanus: Klärung

    Mir geht es um vollständige (notwendige und hinreichende) Erklärungen, nicht um das, was du “unmittelbar” nennst. Ob nun mein Gehirn mittelbar oder unmittelbar dafür verantwortlich ist (abgesehen von deinem Text, den ich lese), dass ich dir diese Antwort schreibe: Hätte man mir nicht Sprache beigebracht, ich könnte dir nicht antworten.

    Das Gehirn steuert Verhalten und formt die Umwelt; aber ebenso formt und steuert die Umwelt mein Gehirn. Lässt du das außen vor, dann ist deine Erklärung unvollständig, wie du es auch nennen magst. Deine Unterscheidung halte ich für künstlich und unplausibel. Das Gehirn ist für mein Verhalten notwendig aber eben nicht hinreichend. Daher ist es (kausal) mit- aber eben nicht allein verantwortlich.

    Gerade las ich einen Bericht in unserer Unizeitung (UK 13. Januar, S. 19) über einen Kollegen aus der Biologie, Theunis Piersma. Basierend auf seinen ökologischen Studien führt er Beispiele dafür an, dass “genes don’t drive change, they respond.” Und: “Again, genes are not the driving force, they are being driven by bodies and ecosystems.” Würde sich das weiter bestätigen, so würden binnen zehn Jahren die Lehrbücher umgeschrieben. Sein Buch ist gerade bei OUP erschienen: The Flexible Phenotype. Du siehst, je nach Perspektive liegt der Fokus mal mehr auf der einen, mal mehr auf der anderen Seite.

    Das Körper-Geist-Problem ist sowohl philosophisch als auch psychologisch, neurobiologisch usw. Welche geistigen Fähigkeiten es gibt, durch welche Eigenschaften sich geistige Prozesse auszeichnen, wie sie sich in Verhalten äußern und wie sie im Gehirn realisiert sind, das ist doch gerade das Rätsel — und selbst Forscher wie Christoph Koch geben zu, dass es ungelöst ist.

    Wie ich mir das vorstelle? Ich denke, dass es eine Pluralität von Eigenschaften gibt; das Wort “Mord!” ist auf der Tafel durch Kreide realisiert. Diese Konfiguration geht aber mit einer Bedeutung einher, die bei mir den Puls höher schlagen lässt; auch wenn es dafür unendlich viele Konfigurationen gibt, gibt es ebenfalls unendlich viele Konfigurationen dieser Kreideteilchen, die nicht zu dieser Reaktion führen (eben weil sie nicht das Wort “Mord!” formen). Wie die Körper-Geist-Relation letztlich metaphysisch aussieht, dafür habe ich keine vollständig Lösung anzubieten; niemand hat das.

    Mir geht es aber darum, wesentliche Blickpunkte nicht aus dem Auge zu verlieren oder gar unter den Tisch fallen zu lassen. Man bedenke, dass Dennett schon 1991 ein Buch mit dem Titel “Consciousness Explained” veröffentlichte, obwohl Bewusstsein noch heute als eines der größten ungelösten Rätsel gilt.

    Nee, dass sehe ich anders. Dass es nicht so ist, muss erst mal einer nachweisen. Wir schreiben schließlich das Jahr 2011 und blicken auf eine unüberschaubare Menge an Literatur zurück, die die Sicht von einem durchgängigen Determinismus—auch in lebenden Systemen—stützen.

    Dann leben wir wohl im gleichen Jahrtausend aber in unterschiedlichen Universum. Denn ich hielt es für gegeben, dass gerade die Physik des 20. Jahrhunderts für eine fundamentale Indetermination steht und nicht von ungefähr kommt es, dass andere Physiker nun wieder nach einer noch grundlegenderen aber wiederum deterministischen Ebene suchen (z.B. Gerard ‘t Hooft Determinism beneath Quantum Mechanics). Ebenso gibt es Positionen, die einen Indeterminismus von Gehirn und Verhalten verteidigen (z.B. Paul W. Glimcher (2005). Indeterminacy in Brain and Behavior. Annual Review of Psychology 56).

    Balanus, wir werden diese schwierigen und fundamentalen Probleme hier nicht im Blog lösen können; ich will dich nur darum bitten, etwas nicht voreilig als gegeben anzunehmen, das nicht bewiesen oder vielleicht gar nicht beweisbar ist. Wann holst du dir eigentlich dein Freiexemplar ab?

  27. @ Balanus: PS

    Aus Glimchers abstract:

    Recent advances in the psychological, social, and neural sciences, however, have caused a number of scholars to begin to question the assumption that all of behavior can be regarded as fundamentally deterministic in character. Although it is not yet clear whether the generative mechanisms for human and animal behavior will require a philosophically indeterminate approach, it is clear that behavioral scientists of all kinds are beginning to engage the issues of indeterminacy that plagued physics at the beginning of the twentieth century.

    Du lebst also in einem anderen Universum; oder im 19. Jahrhundert? 😉

  28. Klärungen /@Stephan Schleim

    Gerne trage ich zur Klärung bei. Du schreibst:

    Das Gehirn steuert Verhalten und formt die Umwelt; aber ebenso formt und steuert die Umwelt mein Gehirn. Lässt du das außen vor, dann ist deine Erklärung unvollständig, wie du es auch nennen magst.

    Offenbar kommt das, um was es mir hier geht, bei Dir nicht richtig an. Obwohl ich Teil Deiner Umwelt bin, will es mir einfach nicht gelingen, Dich so zu steuern, dass Du endlich verstehst, was ich meine.

    Daran sieht man, dass die Einflussnahme der Umwelt auf Gehirne begrenzt ist.

    Ist ja auch klar, es ist eben nicht möglich, echte kognitive Bedeutungen zu transferieren.

    Also noch einmal: Ich lasse bei meiner Erklärung der Verhaltenssteuerung überhaupt nichts außen vor oder unter den Tisch fallen, sondern rücke alles an die richtige Stelle.

    Wenn ich Deine Formulierung “…aber ebenso formt und steuert die Umwelt mein Gehirn. ” lese, dann taucht vor meinem geistigen Auge so etwas wie gestaltende Kraft auf, die dem Gehirn eine bestimmte Form oder Struktur verpasst.

    Diese Perspektive, die den Akteur, die Wirkkraft, außerhalb des Körpers sieht, halte ich für grundfalsch (wobei ich mir keineswegs sicher bin, ob Du diese Position wirklich vertrittst).

    Die Wahrnehmung der Umwelt ist eine aktive Leistung des Organismus, und was Du “formen” nennst, ist in Wahrheit eine aktive Anpassungsleistung.

    Nun könnte man ja leicht darüber hinweggehen, denn im Ergebnis gibt es keinen Unterschied, egal, welche Sicht man auf diese Vorgänge der “Prägung” und des Lernens hat (ach ja, apropos Lernen: Zu Deinen Formulierungen passt imho das Bild des Nürnbergers Trichter ;-).

    Also: Nicht ich führe hier “künstliche und unplausible” Unterscheidungen ein, sondern Du willst einfach nicht die aktiven, individuellen Anpassungsleistungen lebender Systeme an die gegebene Umwelt anerkennen (so scheint es mir zumindest).

    …über einen Kollegen aus der Biologie, Theunis Piersma. Basierend auf seinen ökologischen Studien führt er Beispiele dafür an, dass “genes don’t drive change, they respond.” Und: “Again, genes are not the driving force, they are being driven by bodies and ecosystems.” Würde sich das weiter bestätigen, so würden binnen zehn Jahren die Lehrbücher umgeschrieben.

    Stammt dieser letzte Satz (“Würde sich das weiter bestätigen…”) sinngemäß von Piersma? Kann ich mir eigentlich schlecht vorstellen. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass Du diese zitierten Aussagen falsch verstehst. Zumindest widersprechen sie nicht meinen obigen Ausführungen: “…genes are […] being driven by bodies and ecosystems.” Das lese ich so, dass der Organismus (per Sensorik) auf das Ökosystem reagiert und daraufhin genregulatorisch tätig wird.

    Sein Buch, das Du dankenswerterweise verlinkt hast, stützt meine Lesart. In dem erstgenannten “Review” zu diesem Buch heißt es:

    “This text is a must for anybody who has remained curious about the ways animals, including humans, deal with their environment. It’s scientifically sound and at the same time it’s a gripping story.” – Dr. Hans Hoppeler, Institute of Anatomy, University of Bern, Switzerland and Editor-in-Chief of Journal of Experimental Biology

    Die Fettung ist von mir. Demnach geht es in dem Buch darum, wie Tiere sich aktiv den Umweltbedingungen anpassen (und nicht darum, wie die Umwelt die Tiere formt).

    Ad Körper-Geist-Problem, Christoph Koch und Dennett: Mir ist es natürlich auch ein Rätsel, wie das Gehirn es macht, dass ich ein bewusstes Ich-Gefühl habe. Aber ich vermute da keine noch unbekannten Gesetzmäßigkeiten. Und warum spricht man da von einem “Problem”? Als man noch nicht wusste, wie die Niere Harn produziert, hat man ja auch nicht von einem “Problem” gesprochen.

    Denn ich hielt es für gegeben, dass gerade die Physik des 20. Jahrhunderts für eine fundamentale Indetermination steht

    Diese “fundamentale Indetermination” gehört durchaus zu meinen Vorstellungen (siehe thermisches Rauschen und neuronale Spontanaktivität). Aber diese fundamentale Indetermination löst nicht die Gesetzmäßigkeiten unseres Mesokosmos auf. Der moderne und zeitgemäße Determinismusbegriff, denn ich hier verwende, schließt die Quantenwelt mit ein. Dort werden die Gesetzmäßigkeiten eben durch Wahrscheinlichkeiten und Unbestimmtheitsbeziehungen ausgedrückt.

    Das Glimcher-Paper werde ich gerne mal lesen, bin gespannt, was Glimcher unter “Indeterminismus” versteht.

    …ich will dich nur darum bitten, etwas nicht voreilig als gegeben anzunehmen, das nicht bewiesen oder vielleicht gar nicht beweisbar ist.

    Es ist für mich praktisch unmöglich, all die empirischen Erkenntnisse auszublenden, die es nun mal gibt. Ich frage ja weniger nach Beweisen, als vielmehr danach, was sich aus den unendlich vielen Beobachtungen schließen lässt. Ich bilde mir ein, dass ich—trotz aller Rätsel—ein in sich stimmiges Bild von der Welt habe 😉

    (Tja, und was Freiexemplar betrifft—ich denke nicht, dass ich es schaffen werde, es bei Dir abzuholen, im Sommer, aber besten Dank für das Angebot. Vielleicht, aber nur vielleicht, kaufe ich es beim örtlichen Buchhändler, weil ich als Laie die Erklärungen der Methoden der Hirnforschung recht gelungen finde (ich hoffe nur, hier liest keiner mit und tritt irgendwann bei Dir als ‘Balanus’ auf ;-))

    Herzliche Grüße nach Groningen

  29. @ Balanus und Stephan

    Ich lese nur die Hälfte Eurer Gedanken, aber wirklich: ich bewundere Eure Kondition!

    Stephan würde ich zustimmen wollen in der Aussage, dass Ihr das Problem hier nicht werdet lösen können.

    Balanus verstehe ich sehr gut wenn er sagt, dass er als Teil der Umwelt nicht in der Lage ist, Stephan … zu “steuern”?

    Jedenfalls gelingt es ihm nicht, Dir, oh Stephan, eine Aussage zu entlocken, die auch ich verstehen kann. So beginnst Du irgendwo damit, dass man Dir die Sprache beigebracht hätte, und ohne diesen Input von außen wärest Du zur Kommunikation nicht fähig.

    Für mich, mit Verlaub (und wirklich, ich habe unser Wochenende sehr genossen und Du bist ein jederzeit gern gesehener Gast, hochangenehm … und ich möchte Dich ungern verprellen, aber:) ist das Spiegelfechterei.

    Natürlich ist das Gehirn allen Viehzeugs, soweit vorhanden, dazu da, den Organismus bestmöglich durch seine ökologische Nische zu navigieren. Also, d´accord, das Gehirn reagiert auf Impulse von außen. Lernprozesse finden statt, von der einfachsten Habituation auf harmlose Reize bis zur lateinischen Deklination oder die Bedeutung von “petitio principii” – einer Langzeitpotenzierung, die in meinem Hirn nicht vorkommt. Jedenfalls: das Hirn adaptiert, wie Balanus schon sagt. Es lernt.

    Jetzt sägst Du das eine oder andere Sprachzentrum raus (und komm mir jetzt nicht mit dem Argument, dass Brocca auch noch ganz andere Dinge macht – säg einfach alle Sprachzentren raus). Solchermaßen cortical ablatiert fällt die Sprache weg. Und einiges andere auch. Egal wie genau die Lokalisation nun ist oder nicht: über die ganz großen Säge betrachtet, gewinnt sie wieder an Aussagekraft. Und mit ihr die Determination. Keine Neurone, keine Synapsen, keine Sprache. Umwelt hin, Kultur her.

    Mir ist klar, dass ich grob argumentiere – die feinere, systemische Argumentation hat Dich nicht erreicht (und ich behaupte nach wie vor, dass wir auf UNSERER Erfahrungsebene über eine Determination unseres neuronalen Systems nur mit Mühe nachdenken, sie in jedem Fall nicht definieren können).
    Mir ist auch klar, dass Determination und Leib/Seele nicht notwendigerweise in einen Topf gehören. Aber ich verstehe Deinen Punkt nicht. Ich sehe nicht einmal, wo Du auf ihn kommst.

    Kannst Du mir bitte in schlichten Worten Deine Position verdeutlichen?

  30. @ Balanus & Arvid

    Ich verstehe nicht, warum ihr nicht den Unterschied zwischen notwendig und hinreichend versteht bzw. verstehen wollt.

    Es ist auch keine Spiegelfechterei, um anzuerkennen, dass neben aktiven Gestaltungsvorgängen des Organismus auch mit dem Organismus etwas geschieht. Das Balansche Modell scheitert schon beim Spracherwerb. Weder kann das Gehirn “entscheiden”, dass da andere Menschen sind, die mit ihm “sprechen”, noch kann es “weghören”, wenn es das nicht “will”. (Die Wörter in Anführungszeichen, da sie wahrscheinlich auf der subpersonalen Ebene keine Bedeutung haben.)

    @ Balanus: Die These außerhalb des direkten Zitats stand so im Zeitungsartikel. Übrigens ging es um ein Exemplar von “Lebensentstehung“, nicht von “Neurogesellschaft“.

    @ Arvid: Du darfst mich so viel kritisieren, wie du willst, und brauchst dir auch keine Sorgen machen, mich zu verprellen; unter Umständen würde ich dann nur vorziehen, bei zukünftigen Treffen über erbaulichere und konstruktivere Themen zu sprechen, da mir beim menschlichen Zusammensein auch an harmonie liegt. 🙂

  31. @ Balanus

    Ich habe Ihre Angabe “Geist” ist unser Begriff für die subjektiv erlebten Eigenschaften unseres Gehirns (oder so ähnlich) schon so verstanden, wie Sie noch einmal glauben erläutern zu müssen: Gemeint war das Bewusstwerden von Gedanken, Überlegungen, Ideen etc.

    Das liest sich so, als ob Sie mit “Bewusstwerden” etwas anderes meinen als Wahrnehmen oder “Erleben”, für das im Falle des Gehirn gilt, dass wir es “gar nicht wahrnehmen und damit auch keine Eigenschaften von ihm ‘erleben’ können!”

    Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als hielten Sie Ideen, Überlegungen und andere Gedanken für Produkte des Gehirns, die “in” ihm irgendwo irgendwie aus Neuronengewitter “entstehen” oder bestehen… und irgendwann dann – “aus” jenem Bereich, den viele zum “Unbewussten” erklären – wie aus einem Versteck einem einfach so “kommen”, wenn sie einem nicht sogar “einfallen” oder noch manch anderes “machen” wie “einen nicht mehr loslassen”…

    Die eigenen “Kognitionen” “werden” einem doch nicht irgendwann “bewusst”, als wären sie zunächst irgenwo anders vorhanden – etwa “im” Unbewussten (als wäre damit ein Raum oder Behälter gemeint) – und kämen dann “zu” oder “ins” Bewusstsein wie etwas zunächst “im” Schatten oder Dunklen Liegendes, das irgendwann “ans” Licht kommt!

    “Gedanken” aller Art werden vielmehr “gemacht”! Gedanken sind Taten. Denken ist ein – absichtliches oder gewohnheitsmäßiges (“automatisiertes”) – Tun, eine eigene Aktivität oder Eigenaktivität, deren man sich im Moment ihrer Ausführung – mehr oder weniger – gewahr ist (mindestens als assoziatives “Tagträumen”).

    Ohne dieses Tun nehmen wir eine Art “Leere” wahr, etwas, was im Buddhismus eine große Rolle spielt, dort aber eher Anlass zu allerlei philosophischen Lehren gegeben hat statt in ihrer psychologischen Eigenart genauer bestimmt zu werden.

    Mir scheint, dass Sie wie viele der Magie der tradierten sprachlichen Bilder erlegen sind, mithilfe der wir uns alltagssprachlich über unsere geistigen Leistungen zu verständigen suchen.

    Ein Bild hält uns gefangen…” – die richtigen Auswege gilt’s zu finden. Auf einen Leitfaden da heraus habe ich hier ja schon verwiesen. Müsste nur zur Kenntnis genommen werden.

  32. @ Arvid: P.S.

    Ich versuche es noch einmal mit morgendlicher Frische; aber ich denke, ich werde mich danach aus auch der Diskussion zurückziehen, da ich mir sonst wie in einer Endlosschleife vorkomme:

    Also, d´accord, das Gehirn reagiert auf Impulse von außen.

    Das ist doch schon trügerisch: Es ist nur das Gehirn, das X tut, das “reagiert” und nicht die Außenwelt, die etwas mit dem Gehirn macht, es formt und prägt. (@ Balanus, das war übrigens der Punkt des Ökologen, dass die Umwelt die Gene ebenso prägen können wie die Gene den Organismus und damit die Umwelt.)

    Wenn das Gehirn das alles so von selbst “tut”, wie kommt es dann überhaupt, dass Gehirne (und ganze Organismen) sich in einer reichhaltigen Umwelt ganz anders entwickeln als in einer deprivierten? Welche “Entscheidung” trifft denn das eine Gehirn, sich weniger zu entwickeln als das andere? Und warum trifft es diese?

    Auch das Broca-Beispiel ist mit meiner Position vereinbar, dass bestimmte Strukturen für bestimmte geistige Fähigkeiten (hier Sprache) notwendig aber eben nicht hinreichend sind. Das habe ich doch schon x-mal geschrieben. Warum haben wir denn überhaupt Gehirnbereiche, die auf Sprache spezialisiert sind? Weil Menschen mit der Veranlagung zum Sprachlernen auf die Welt kommen und dann in unserer Kultur mit Sprache gefüttert werden.

    Der zentrale Punkt ist: Ihr könnt bestenfalls nur durch Konstanthalten der Umwelt, schlimmstenfalls nur durch Unter-den-Teppich-Kehren von Geschichte und situativem Kontext des Gehirns (besser: Lebewesens, der Person) von vollständiger Gehirn-Determination sprechen.

    Und so macht es ja auch die experimentelle Logik hunderttausendfach vor: Durch situative Beeinflussung (Experimentalsituation) des Subjekts einen replizierbar messbaren Gehirnzustand hervorzurufen (man könnte sagen: zu determinieren), der wiederum mit einem bestimmten Erlebnis oder Verhalten einhergeht (ja, auch hier könnte man “determinieren” schreiben). Anders hätten wir gar keine kognitive oder behaviorale Hirnforschung.

  33. @Ingo-Wolf Kittel

    Sie schreiben:

    Mir scheint, dass Sie wie viele der Magie der tradierten sprachlichen Bilder erlegen sind, mithilfe der wir uns alltagssprachlich über unsere geistigen Leistungen zu verständigen suchen.

    Mir scheint das natürlich nicht so, aber mir ist klar, dass dieser Eindruck angesichts meiner manchmal etwas schlampigen Formulierungen entstehen kann. Und dass unsere metaphorische und dualistisch geprägte Sprache eine Menge Missverständnisse produzieren kann, ist offensichtlich.

    “Gedanken” aller Art werden vielmehr “gemacht”! Gedanken sind Taten. Denken ist ein – absichtliches oder gewohnheitsmäßiges (“automatisiertes”) – Tun, eine eigene Aktivität oder Eigenaktivität, deren man sich im Moment ihrer Ausführung – mehr oder weniger – gewahr ist (mindestens als assoziatives “Tagträumen”).

    Diese “Gewahrsein” gefällt mir. Ich formuliere meinen Satz “Geist” ist unser Begriff für die subjektiv erlebten Eigenschaften unseres Gehirns (oder so ähnlich) also neu:

    “Geist” ist unser Begriff für das subjektive Gewahrsein von Hirnaktivitäten.

    Besser so?

    (Ich finde es immer schwierig, Begriffe, die keine reale Entsprechung in der Natur haben, zu definieren)

  34. Endlosschleife /@Stephan Schleim

    In der Tat, im Kern wiederholen wir nur noch unsere altbekannten Argumente in mehr oder weniger neuen Formulierungen.

    Ich finde es natürlich bedauerlich, dass ich Deine Vorstellungen von der “Wirkmacht” der Umwelt nicht ein wenig modifizieren konnte. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend… 😉

    (@ Balanus, das war übrigens der Punkt des Ökologen, dass die Umwelt die Gene ebenso prägen können wie die Gene den Organismus und damit die Umwelt.)

    Nicht “ebenso”. Wenn Du Dir die Mechanismen vor Augen führst, die im Ergebnis zu dieser “Prägung der Gene durch die Umwelt” führen, wird klar, dass es sich dabei um eine Anpassungsleistung des Organismus an die vorgefundene Umwelt handelt.

    Das trifft natürlich auch auf die Vorgänge beim Spracherwerb zu. Wenn das Kind nicht die adäquaten kulturellen Umweltbedingungen vorfindet (i.e., keine Sprache), unterbleibt der Spracherwerb. Dito beim Erwerb der Sehfähigkeit: Fehlendes Licht während des Heranwachsens führt zur kognitiven Blindheit. Und so fort. Immer ist es die aktive Leistung des Organismus, des Gehirns in Reaktion auf Vorgefundenes, bereits Vorhandenes.

    Davon ausgehend kann man durchaus sagen, dass für einen bestimmten Zustand X eines Gehirns sowohl Gene als auch Umwelt “verantwortlich” sind. Ist doch klar: Für diesen Zustand X sind die Gene “notwendig”, aber natürlich nicht “hinreichend”. So wie für die Existenz eines jeden Organismus seine eigene “Lebenskraft” zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist. Es braucht halt die passende Umwelt zum Leben.

    Im Übrigen hat hier nie jemand behauptet, die Umwelt wäre für die Entwicklung und Funktion des Gehirns irrelevant, ganz im Gegenteil. Schließlich gehört es zu den Aufgaben des Gehirns, “Umweltprobleme” zu meistern (Probleme der Art: Wo ist die Kantine…).

    Mahlzeit! 😉

  35. @ Balanus “Geist”

    Lassen Sie das Hirn aus Ihrer Formulierung“Geist” ist unser Begriff für das subjektive Gewahrsein von Hirnaktivitäten raus, dann wird’s fast richtig:

    “Geist” ist unser Sammelbegriff (wissenschaftstheoretisch: “Reflexionsterminus”) für bestimmte Eigenaktivitäten, als da sind: Wahrnehmen, Vorstellen und Achtgeben.

    Weil wir dazu unser Hirn brauchen, sind das noch keine “Hirnaktivitäten”, ein übrigens ziemlich irreführender, aslso “falscher” Ausdruck: die Glibbermasse, die wir “Hirn” nennen, tut nämlich gar nix; die entscheidenden aktiven Elemente sind dort bekanntlich die Neuronen. Und die können nur eins: Depolarisieren – oder nicht.

    Denken ist wie Tanzen eine Eigenaktivität; wir schreiben die erste – jedenfalls bisher – nicht den Neuronen zu und die andere nicht den Muskeln, Muskelfasern oder Muskelzellen. Soviel ich weiss, ist noch niemand deswegen, weil wir zum Tanzen und anderen Bewegungen Muskeln brauchen, darauf gekommen zu benaupten, dass “sich bewegen” eine Muskelkativität “ist”! Genauso wenig ist Denken eine Neuronenaktivität oder gar eine Hirn-, also Gesamthirntätigkeit.

  36. @Ingo-Wolf Kittel

    Also, was die Wahl der Begriffe und die Art der korrekten Beschreibung der realen physiologischen Vorgänge angeht, da bin ich keineswegs endgültig festgelegt (auch wenn man das meinen Formulierungen vielleicht nicht so anmerkt). Entscheidend ist für mich, was tatsächlich in den Organen passiert.

    “Geist” ist unser Sammelbegriff (wissenschaftstheoretisch: “Reflexionsterminus”) für bestimmte Eigenaktivitäten, als da sind: Wahrnehmen, Vorstellen und Achtgeben.

    Einverstanden!

    Denken ist wie Tanzen eine Eigenaktivität;…

    Der “Person”, nehme ich an (und nicht des “Gehirns”, wie ich leichthin sagen würde).

    …wir schreiben die erste – jedenfalls bisher – nicht den Neuronen zu und die andere nicht den Muskeln, Muskelfasern oder Muskelzellen…

    Klar, Neuronen denken nicht und Muskeln tanzen nicht.

    …Soviel ich weiss, ist noch niemand deswegen, weil wir zum Tanzen und anderen Bewegungen Muskeln brauchen, darauf gekommen zu benaupten, dass “sich bewegen” eine Muskelkativität “ist”! …

    Nun, vielleicht deshalb, weil so viele verschiedene Muskeln beteiligt sind und möglicherweise auch deshalb, weil der Zusammenhang von Muskelaktivität und Bewegung ja so was von offensichtlich ist, dass es einfach unsinnig wäre, ständig auf diesen Kausalzusammenhang hinzuweisen (wunderbar, ich konnte mal wieder “kausal” schreiben ;).

    Denn bei genauer Betrachtung ist Tanzen tatsächlich nichts weiter als eine fein abgestimmte Aneinanderreihung diverser Muskelkontrakturen (=Aktivitäten).

    …Genauso wenig ist Denken eine Neuronenaktivität oder gar eine Hirn-, also Gesamthirntätigkeit.

    Kann man diesen Schluss wirklich aufrechterhalten? (Wenn man mal von der eher fragwürdigen Gleichsetzung [Denken “ist”…] absieht.)

  37. Nur kurz die Zwischenfrage @ Balanus

    Wenn Sie schreiben, “Entscheidend ist für mich, was tatsächlich in den Organen passiert.“, komme ich auf den Gedanken, dass Sie dann die Leistungen, die “wir” als die Menschen, Personen oder Subjekte dabei gleichzeitig erbringen (zB. sich zu bewegen oder zu überlegen), nicht für so wichtig oder gar “entscheidend” halten könnten; ist dem vielleicht so?

    Dann würde ich mich nämlich veranlasst sehen in Erinnerung zu bringen bzw. darauf hinzuweisen, dass dieses letztere, unser Normalerleben, das ist, was für uns gewöhnlich das “entscheidende” ist. Unsere gesamten sprachlichen Mittel und unsere davon abhängige “Logik der seelischen Ereignisse” beziehen sich in erster Linie darauf, was heisst, dass alles “weitere” davon abgeleitet ist – und weil deswegen in Zusammenhang steht, auch in seiner Beziehung dazu beachtet und reflektiert werden muss. (Bennett und Hacker haben diese Arbeit geleistet!)

    Übrigens stellen diese Leistungen von uns und die dabei(!) gleichzeitig physiologisch feststellbaren Körperprozesse ein synchrones(!) Geschehen dar, kein “diachrones”, bei dem Einzelabschnitte die zeilich nachfolgenden evtl. “kausal” verursachen. Kausalverhältnisse sind nur zwischen zeitlich unterschiedlichen Geschehnissen denkbar!

    Dieser Umstand scheint mir bei der gesamten Diskussion der Deutung hirnphysiologischer Daten bislang völlig unbeachtet geblieben zu sein – neben manch anderem…

  38. @Ingo-Wolf Kittel

    Mein: “Entscheidend ist für mich, was tatsächlich in den Organen passiert” bezog sich auf die Beschreibung der Geschehnisse in den Organen. Eine bildreiche Sprache stört mich nicht, so lange ich nachvollziehen kann, um was es in der Sache geht, was jeweils gemeint ist und so lange ich das Gefühl habe, die Vorgänge werden, soweit sie (mir) bekannt sind, korrekt beschrieben. Kurz, auf die von Ihnen skizzierte “sprachliche Sensibilität” (nach Bennett und Hacker?) kommt es mir in diesem Zusammenhang eher weniger an, wichtig sind mir vor allem Genauigkeit und Verständlichkeit.

    Übrigens stellen diese Leistungen von uns und die dabei(!) gleichzeitig physiologisch feststellbaren Körperprozesse ein synchrones(!) Geschehen dar, kein “diachrones”, bei dem Einzelabschnitte die zeilich nachfolgenden evtl. “kausal” verursachen.

    Das bezweifle ich, soweit es sich um Bewegungen handelt. Bevor es zu einer Muskelkontraktion kommt, werden an der motorischen Endplatte Transmitter ausgeschüttet. Und bevor Transmitter ausgeschüttet werden… und so fort, ad infinitum.

    Wenn man Bewusstsein (Geist) als eine Systemeigenschaft des aktiven Gehirns auffasst, macht die Frage einer zeitlichen Unterscheidung von physiologischer Aktivität und erlebtem Bewusstsein womöglich keinen Sinn, aber wer weiß das schon…

  39. @ Balanus

    Wenn es Ihnen “auf … ‘sprachliche Sensibilität’ … eher weniger an(kommt)“, Ihnen aber “vor allem Genauigkeit und Verständlichkeit“, wie Sie unterstreichen, “wichtig sind“, drängt sich mir mit Nachdruck die Frage auf, wie Sie sich selbst sprachlich genau und verständlich ausdrücken und von anderen sprachlich Vermitteltes genau verstehen wollen, wenn es Ihnen auf (ausreichende) “sprachliche Sensibilität” so wenig ankommt!

    Leider sehe ich Auswirkungen davon schon im eigenen Fall, will sagen bei dem, was ich Ihnen zu signalisieren versucht habe: was ich geschrieben habe, ist von Ihnen weder genau noch teilweise überhaupt verstanden worden.

    Wenn und weil ich mich nicht wiederholen möchte, müsste ich Sie jetzt bitten, meine letzte Zuschrift noch einmal – und dann bitte “genau” zu lesen und vor allem genau so zu verstehen, wie ich es gemeint habe. Ich glaube, das hinreichend genau ausgedrückt zu haben.

  40. @Ingo-Wolf Kittel

    Ich habe Sie so verstanden, dass Sie die Sprache der Neurowissenschaftler kritisieren. Vieles davon mag berechtigt sein, aber ich denke nicht, dass ich durch diese Sprache in die Irre geführt werde.

    Wenn ich Ihre Ausführungen nicht “genau so” verstehen kann, wie Sie sie “gemeint” haben, hat das nun nicht so sehr mit meiner Verständnisfähigkeit zu tun, sondern liegt vor allem daran, dass Menschen mental völlig voneinander isoliert sind (…um noch halbwegs beim Thema zu bleiben).

  41. @ Balanus

    Ich möchte mich aber mit Ihnen austauschen und bin daher darauf angewiesen, von Ihnen verstanden zu werden. Wenn Sie – aus welchen Gründen auch immer; andere Menschen sind da ganz unerheblich – dazu nicht imstande sein sollten, müsste ich unseren Dialog für beendet weil nicht möglich ansehen.

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