Aktuelles: Mein Hirn wars

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auf der Frequenz von Geist und Gehirn
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Braincast 179

Aus aktuellem Anlass die Diskussion einer zukunftsträchtigen Ausrede. Ein Braincast mit drei Morden, doch was als Betroffenheitsjournalismus beginnt, fächert sich auf zu ganz konkreten Problemen: Gutmenschentum, blinde Wut, Todesstrafe und Bluttests. Mit Joachim Marschall von Gehirn&Geist spreche ich über Traum und Gedächtnis.

 
MP3 File Dauer: 26:37

Der Link zu MAOA: Strafminderung wegen Aggressionsgen.

Unser Thema bei der DANA: Genes and criminals: Italian court makes controversial ruling

Themenfremd, aber spannend: The Aging Brain.

NEWS

SHOWNOTES

Schräg wie das Thema der Einstieg April Witch von Lokakuun Maa. Dann mit mehr Beat Winter Mourning von KPQ, aber passender ist eigentlich Decelerate von Odd One Out. Der Trauermarsch am Schluss ist politisch gewollt: Serenadeforwoodwind43 von Rob van den Berg.

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Veröffentlicht von

www.nurindeinemkopf.de

Nach diversen Artikeln und zwei Büchern zwischen Geist und Gehirn hier der Podcast. Wichtigster Punkt: die Übersetzung der aktuellen Erkenntnisse in verständliche Sprache, praktischen Alltag und guten Humor.

2 Kommentare

  1. Le premier schrei

    Feten können schon im 7. Schwangerschaftsmonat die Stimme ihrer Mutter von anderen Stimmen unterscheiden. D.h. sie haben bereits gespeichertes Wissen und können in einem aktiven Denkprozess die Lautmuster vergleichen.
    Daher sollte es nicht wundern, wenn dieses erlernte Wissen auch im Rhythmus des Baby-schreiens erkennbar ist.

    Lieraturtipp: Gehirnjogging im Mutterleib, Bild der Wissenschaft 2/2006

    Trotzdem sind die Forschungen von Frau. Prof. Wermke von Interesse – weil sie zeigen, dass Babys bereits mit Vorwissen/-können auf die Welt kommen.

  2. Bedingungen und Ursachen

    “Einsichts- und Steuerungsfähigkeit”, auf die es beim realen Handeln und Reagieren ebenso ankommt wie “natürlich” auch bei “Verbrechen” (und bei Gericht…), ist zwar “abhängig” von der gesamten Biologie von uns Menschen, speziell von Aufbau und Funktion unseres Zentralorgans “Gehirn”. Die damit gegebenen “Bedingungen” unseres Lebens, zu denen auch elementare oder “vegetative” Lebensprozesse wie Herzschlag, Atmen, Verdauung, Stoffwechsel usw. gehören, geben aber nur den Rahmen vor, innerhalb dessen wir reagieren. Sachlich gesehen begrenzen sie unsere Reaktionsmöglichkeiten; wir können z.B. nicht fliegen wie Vögel oder uns so schnell fortbewegen wie Geparden.

    Im Unterschied zu den vegetativen “Lebensregungen” wird reaktives “Verhalten” nicht von Bau und Funktionalität des Organismus – der körperlichen Konstitution – “verursacht”, auch nicht von Aufbau und Eigenaktivität des Gehirns, so wenig wie Verhalten vom schlagenden Herz “ausgelöst” werden kann. Dazu bedarf es weiterer Bedingungen. Diese werden allgemein “Reize” genannt und nach ihrer Herkunft in innere und äußere Reize unterteilt.

    Durch Reize angeregte biologisch oder “genetisch” präformierte Reaktionsweisen wie Husten, Niesen, Gähnen oder sämtliche Emotionen wiederum werden bekanntlich “Reflexe” genannt und als “angeborene” Reflexe von “erworbenen” oder gelernten unterschieden.

    Die auch “konditioniert” oder bedingt genannten Reflexe beruhen biologisch nur noch auf einer einzigen physiologischen “Bedingung”: der angeborenen Eigenschaft aller Organismen mit einem Nervensystem, lernfähig zu sein. Die hier gemeinte Lernfähigkeit wird auch “Merkfähigkeit” genannt und liegt der Tatsache zugrunde, die der Volksmund genial in dem Verb “bemerken” zum Ausdruck bringt: dass etwas zu bemerken von Natur aus immer auch und immer gleichzeitig bedeutet, es “sich zu merken“! Wahrnehmen ist also identisch mit “Lernen” in diesem elementaren Sinn und befähigt uns, sich am Abend noch mehr oder weniger grob oder detailliert an die Erlebnisse während des Tags erinnern zu können.

    Diesen mit Wahrnehmen identischen neurophysiologischen Prägungsprozess hat die Hirnforschung in vielen Einzelheiten aufklären und z.B. in Kurz- und Langzeitgedächtnis differenzieren können. Hierdurch ist auch die unwillkürliche Ausprägung von Gewohnheiten biologisch erklärbar geworden und damit auch die mehr oder weniger absichtliche und gezielte Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie in der Alltagspsychologie “gelernte Reflexe” differenziert werden.

    Auf der Grundlage alle dieser Bedingungen kann ein Reagieren biologisch nur dann in Gang kommen, wenn es durch adäquate “Reize” angeregt oder “ausgelöst” wird. Reales Verhalten hat deswegen von der eigenen Konstitution und persönlichen Lerngeschichte immer auch unabhängige “Bedingungen”.

    Bei uns Menschen kommt noch hinzu, dass wir Bedingungen sogar selbst festsetzen können. Bewusst an solche Bedingungen wie Vorsätze oder gemeinsam getroffene Vereinbarungen gebundenes Tun wird in der Handlungstheorie terminologisch “Handeln” genannt und alltagspsychologisch tautologisch oft als “bewusstes Handeln” bezeichnet, auch als “gewolltes” Tun oder als absichtliches, gezieltes oder zweckgebundenes Handeln.

    Als solches wird es wiederum unterschieden von seinem genauen Gegenteil: dem unabsichtlichen oder unbeabsichtigten, unwillkürlichen und ungewollten, unbedachten, gedankenlosen, oft auch “unbewusst” genannten, spontanen oder impulsiven bzw. impulshaften und damit immer reflexartigen bzw. reflexhaften Reagieren, das dann immer auf andersartige Anreize oder Anregungen als selbstgesetzte Bedingungen hin zustande kommt.

    Überblickt man dieses differenzierte Bedingungsgefüge wird erkennbar, dass die Behauptung, “Verschaltungen” im Gehirn würden festlegen, was man so alles tut, nicht nur undifferenziert, sondern schon bei Tieren auch noch unzureichend ist – erst recht bei uns Menschen.

    Hier wird weder zwischen Rand- und Rahmenbedingungen unterschieden noch zwischen hinreichenden oder nur notwendigen Bedingungen, ohne die etwas nicht geschehen könnte, die aber allein oder selbst in einer Vielzahl nicht hinreichen, dass ein Individuum ein bestimmtes Verhalten zeigt.

    Bei Lebewesen kommt generell noch hinzu, dass sämtliche, ein Verhalten “auslösende” Bedingungen immer diejenigen sind, die das letzte Glied in einem hochkomplexen Bedingungsgefüge darstellen, bei dem die Einzelbedingungen einen Stellenwert haben, der sich allein aus ihrer Position in diesem Gesamt ergibt.

    Wenn “Bedingungen” dann noch umgangssprachlicher Gewohnheit entsprechend “Ursachen” genannt und diese auch noch allein im Sinne von “auslösenden” Bedingungen verstanden werden, ergibt sich der Anschein, als sei alles Geschehen in der Welt bis hin zum eigenen Handeln und Verhalten von einem durchgehenden “Determinismus” gekennzeichnet, nach dem sämtliche, selbst zeitliche Umstände immer “Auswirkungen” haben, also Wirksamkeit.

    Eine solche undifferenzierte Denkweise ist weder realistisch noch gar wissenschaftlich. Forensische Beurteilungen vor allem wissenschaftlicher Güte haben stets das gesamte Bedingungsgefüge in Betracht zu ziehen und Einzelbedingungen in ihrer Bedeutung, Reichweite und “Wirksamkeit” einzuschätzen: ein Hirntumor “macht” niemanden zum Verbrecher, so wie ein halbes Gehirn noch keinen geistig Behinderte “macht”, wie ein berühmter Fall aus Frankreich vor einiger Zeit eindrücklich gezeigt hat.

    Differenziertes Denken tut Not, wenn man der Rolle des Gehirns im Gesamtgefüge der Bedingungen gerecht werden will, auf deren Grundlage wir bewusst und verantwortungsvoll handeln oder uns unseren Reflexen überlassen und “gehen lassen”.

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